Das ewige Leben
schon im einen oder anderen schlechten Moment über sich gedacht hat.
»Und dann sitzt man als Hausmeister im Schwarzenegger-Stadion und macht Geschäfte mit Leuten, um die man lieber einen großen Bogen machen sollte. Ich hab den Köck nicht nur einmal gewarnt vor seinen Freunden. Aber er ist sich ja so gescheit vorgekommen.«
»Ich mache mit niemandem Geschäfte.«
»Du kommst nach dreißig Jahren in deine verfallene Puntigamer Hütte zurück und wunderst dich wie ein kleines Kind, dass hier niemand auf dich wartet. Außer dem Gestank von der Brauerei.«
»Die Brauerei ist nicht so schlimm, aber die Futtermittelfabrik«, hat der Brenner gesagt.
Persönlich kann ich ihm da nur Recht geben. Den Geruch von der Brauerei finde ich oft gar nicht so schlecht, aber die Futtermittelfabrik ist natürlich schon ein bisschen ding. Das ist ein Gestank, dass man an manchen Tagen in Puntigam am liebsten aus der Haut fahren möchte. So etwas hat der Brigadier Aschenbrenner in seinem Innenstadtparadies natürlich nicht gekannt.
Jetzt warum sage ich die ganze Zeit Paradies? Die ganze Zeit Paradies sage ich, weil die Frau vom Aschenbrenner dann herausgekommen ist. Zuerst hat der Brenner nur ihre Stimme gehört, weil sie hat aus der Wohnung herausgerufen:
»Bist du da?«
»Nein, ich bin nicht da!«, hat der Aschenbrenner geantwortet, weil Telefon, und da ist es immer gut, wenn man eine Frau hat, die sagt, man ist nicht da. Aber zu leise, weil die Frau noch einmal:
»Bist du da?«
»Nein, ich bin nicht da, Soili!«
Ich weiß nicht, wird man einfach durch das Koma ein bisschen wunderlich, aber dem Brenner ist vorgekommen, er hat noch nie so einen schönen Namen gehört. Soili. Das war die reinste Musik für den Brenner. Ich muss sagen, mir gefällt der Name auch nicht schlecht, aber der Brenner ganz weg, quasi Balsam für seinen Schusskanal.
Wahrscheinlich war er einfach wegen dem Aschenbrenner überempfindlich in punkto Namen. Manchmal glaube ich überhaupt, es ist nur an ihren ähnlichen Namen gelegen, dass die beiden ihr Leben lang so ungut übereinander gestolpert sind. Gemocht haben sie sich vom ersten Tag an in der Polizeischule nicht, aber gleichgültig waren sie sich auch nicht. Wie soll ich sagen, eine Reibung, als müsste es eine Entscheidung geben. Brenner. Aschenbrenner. Als dürfte nicht beides existieren. Das war von Anfang an so. Ob das Weibergeschichten waren, ob das der Saarinen war, wo der Brenner nie verstanden hat, dass der auch mit dem Aschenbrenner befreundet war. Weil wenn es nach dem Brenner gegangen wäre, dann hätte der Saarinen nur sein Freund und der Köck nur der Freund vom Aschenbrenner sein sollen.
Aber ich sage, Name ist das eine, und der dahinter stekkende Mensch doch noch einmal etwas anderes. Weil die Soili ist dann auf die Terrasse herausgekommen. Der Brenner hat sich gefragt, wo der Kripochef so eine Frau hernimmt. Dreiundachtzig Jahre hätte er werden müssen, um vor Wut darüber zu weinen. Und das, obwohl er sie bis jetzt nur aus zehn Metern Entfernung gesehen hat. Mit einem Serviertablett in der Hand ist sie auf die Terrasse herausgekommen.
Und ob du es glaubst oder nicht. Jetzt erst hat der Brenner endgültig damit aufgehört, sich in den Kripochef einzufühlen. In dem Moment, wo die Soili auf die Terrasse herausgekommen ist, hat sich auch seine Wut auf den Kripochef, die ihn in den letzten Wochen am Leben gehalten hat, wieder ganz leise geregt.
Das musst du dir vorstellen wie einen eingeschlafenen Körperteil, der langsam aufwacht, du schreckst mitten in der Nacht aus dem Schlaf auf, weil du auf deinem Arm gelegen bist, jetzt der Arm ist tot, und du schüttelst ihn in Panik wie einen Leichenarm, aber du spürst nichts, und auf einmal kribbelt er ein bisschen, quasi halbes Lebenszeichen. Und nichts im Leben ist so lästig wie ein halbes Lebenszeichen.
Weil eine richtige Wut war das immer noch nicht, nur das Kribbeln. Jetzt wo ist die richtige Wut? Weil so ein halb taubes Kribbeln, das ist ja kaum zum Aushalten, das ist viel ärger als ein richtiger Schmerz, und bei der Wut ist das genauso, die muss heraus, damit sie zum Aushalten ist.
Und da hat ihm jetzt die Soili wahnsinnig geholfen. Weil der Brenner hat gemerkt, mit jedem Schritt, den sie näher kommt, wird seine Wut auf ihren Mann größer. Wie sie da barfuß zwischen den Oleandersträuchern herüberspaziert. Barfuß im Februar, das ist natürlich nicht streng nach der R-Regel. Weil nach der R-Regel ja noch nicht einmal im
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