Das ewige Lied - Fantasy-Roman
verkniffenes Brummen. „Ich hab allerdings den Schluss nicht gehört“, fügte Jayel leise hinzu, „als Kallabul dir etwas Wichtiges erzählen wollte. Willst du mir verraten, was er gesagt hat?“
Daphnus sah sie an. Dann lachte er grimmig. „Etwas total Verrücktes hat er gesagt. Er wollte mir weismachen, dass in meinen Adern auch Aquantenblut fließt. Er hätte das gespürt, behauptet er. Witzig ist nur, dass ich nicht wüsste, wo es herkommen sollte.“
Jayel war verblüfft. Mit dieser Eröffnung hatte sie nicht gerechnet. „Und ... was bedeutet das?“, wollte sie vorsichtig wissen. Daphnus zuckte die Schultern: „Ich weiß auch nicht. Er sagt, die Wasserelementarzauber würden mir dadurch besser gelingen. Deshalb ist mir angeblich auch der Brückenzauber in der Höhle so gut gelungen. Das ist eigentlich ein sehr schwerer Zauber, der nur sehr erfahrenen Magiern gelingt.“
„Na, du hattest ja keine Probleme damit!“
„Das ist wahr. Und deshalb ist Kallabul jetzt auch vollends davon überzeugt, dass ich aquantische Ahnen habe.“
„Aber warum sollte Kallabul denn lügen?“, wollte Jayel wissen.
Daphnus lehnte sich etwas zurück und stützte seine Arme auf dem feuchten Waldboden auf. „Ich weiß es auch nicht. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, das ist alles.“ Er seufzte: „Weißt du, wie schwierig es schon ist, mit dem elfischen Erbe und der Abkommenschaft von den Erdmenschen zu leben? Irgendwie scheine ich nur die Nachteile der unterschiedlichen Völker geerbt zu haben: von den Elfen die Höhenangst und die Panik unter der Erde, dazu die unkontrollierbare Naturmagie; von den Erdmenschen die Aggressivität und die Selbstüberschätzung. Die Überheblichkeit und den Leichtsinn der Menschen. Wo ich so darüber nachdenke, muss ich eigentlich auch noch aquantischen Ursprungs sein, denn woher sollte ich sonst meine Arroganz und den Jähzorn haben?“ Wütend stieß Daphnus den Stock in die verlöschende Glut, so dass das Feuer noch einmal hoch aufloderte. Jayel rückte näher zu ihm heran. „Ich finde nicht, dass du nur die Nachteile geerbt hast“, sagte sie und legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. „Erinnerst du dich nicht an das Lied? ‚Weisheit schenkte sie dem Volk der Luft, dem Wasservolke die Anmut, den Erdmenschen gab sie Stärke und Kraft, den Menschen des Feuers den Mut.‘ Ich finde diese Eigenschaften hast du alle. Du bist einer der weisesten Menschen, die ich kenne, und stark und mutig bist du auch. Wenn du zauberst und dabei die magischen Gesten vollführst, könnte ich dir stundenlang dabei zusehen...“
Etwas verlegen, aber dankbar legte Daphnus seine Hand auf die ihre. So blieben sie lange Zeit sitzen und starrten in die Flammen, bis ihre Gefährten schließlich gähnend aus der Hütte traten.
12: Moorkrätschen
Nach einem kurzen Frühstück zogen sie nun zu fünft weiter, diesmal nach Süden, Richtung Moor. Gemma ritt hinter Kallabul. Sie war sehr ängstlich und versteckte sich jedes Mal hinter dem Aquanten, wenn ein Vogel am Himmel vorbeiflog. Nachdem sie etwa eine halbe Stunde geritten waren, lichtete sich der Wald, und vor ihnen erstreckte sich das Modermoor.
Es war eine trostlose, graugrüne Landschaft. Sumpfiger Boden so weit das Auge reichte, dazwischen Lachen abgestandenen Wassers und kahl aufragende Baumstümpfe. In unregelmäßigen Abständen erhoben sich flache Hügel aus lehmigem Matsch, so dass sie nicht weit ins Moor hineinblicken konnten. Am Rand des sumpfigen Gebietes entsprang eine klare Quelle, die einen kleinen Bachlauf speiste. „Das ist die Heilige Quelle“, sagte Gemma leise. Sie schien vollkommen verängstigt angesichts des Sumpfes.
„Und du sagst, das Nest der Krätschen befindet sich mitten im Sumpf?“, wollte Kallabul von ihr wissen. Gemma nickte.
„Na, dann mal los“, sagte Jayel entschlossen. Sie stieg vom Pferd, suchte sich einen langen Stock und ging voran. Mit Hilfe des Stockes ertastete sie sich vorsichtig einen Weg durch den Morast; die anderen taten es ihr nach. Auf diese Weise kamen sie zwar nur langsam voran, doch sie gerieten auch nicht in Gefahr, im Moor stecken zu bleiben.
Das Modermoor war eine unheimliche Gegend. Es roch nicht wie in anderen Mooren; zwar konnte Jayel auch hier den typischen Geruch nach abgestandenem Wasser und feuchter Erde ausmachen, doch überlagert wurde dieser Duft von einem süßlichen Geruch, der an Verwesung gemahnte und in der Bardin leichte Übelkeit hervorrief. Ihr erschien es, als
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