Das ewige Lied - Fantasy-Roman
bin ich das!“, knurrte Tiark und sah wütend auf die Krätsche herab.
Jayel wollte schon erleichtert aufatmen, da schrie Gemma erneut. Unbemerkt hatte sich eine der beiden gefesselten Moorkrätschen aus dem Netz befreit und war näher gekommen. Nun setzte sie gerade zum Sturzflug auf den scheinbar unbewaffneten Kallabul an. Dieser blickte auf und erkannte die Gefahr gerade noch rechtzeitig. Rasch hob er die Hand und warf die zwei Glaskugeln auf das herabstürzende Ungetüm. Die dünnen Glaswände der Kugeln zerbrachen, und eine durchsichtige Flüssigkeit spritzte über die Haut des Tieres. Wo sie auftraf, verbreiteten sich sofort rötliche Blasen, und die Krätsche schrie gequält. Wie rasend erhob sie sich wieder in die Luft und taumelte unter lauten Schreien davon.
Jayel starrte ihr mit offenem Mund hinterher. Auch die anderen folgten dem davoneilenden Monster mit ihren Blicken und wandten dann Kallabul große, erstaunte Augen zu. Der Aquant grinste entschuldigend: „Leichte Säure. Wird noch ein wenig weh tun, aber morgen ist die Krätsche wieder in Ordnung...“
Jayel sah sich um. Zwei Moorkrätschen waren tot: die eine lag zu Tiarks Füßen, die andere versank im Sumpf. Eine weitere verschwunden, nachdem sie Daphnus Feuerball getroffen hatte, und die vierte Richtung Süden davongeflogen.
„Ich glaube, wir sollten Wachen aufstellen“, sagte die Bardin seufzend, „wer weiß, ob die Viecher nicht wieder auftauchen...“
Gemma schüttelte den Kopf: „Vor morgen früh nicht. Die Moorkrätschen sind nur in der Dämmerung unterwegs. Keiner weiß warum...“
„Ich schon“, meinte Daphnus, der sich neben Tiarks tote Krätsche gehockt und den Kadaver untersucht hatte. Er wies auf die Augen des merkwürdigen Tieres. „Zumindest vermute ich es. Die Krätschen sind offenbar nachtblind, weil sie nur sehr kleine Augen haben, und die meisten Tiere, die nachts sehen können, haben große Augen. Außerdem haben sie nur sehr kleine Pupillen...“ Der Magier bemerkte, dass ihn die anderen verständnislos anstarrten, und er seufzte. „Also“, erklärte er langsam, als würde er mit Kindern sprechen, „die Pupillen des Menschen – und der meisten Tiere – verändern sich ja bekanntlich bei verschiedenem Lichteinfall, deswegen können wir bei unterschiedlicher Helligkeit oder Dunkelheit immer noch etwas sehen. Die Pupillen der Krätschen jedoch scheinen sich nicht erweitern oder verengen zu können – aber sie sind nur so groß wie ein Stecknadelkopf. Deswegen sehen sie, wenn es dunkel ist, absolut nichts. Allerdings haben sie auch keine Augenlider und müssen die Augen deswegen permanent offen halten. Eine dumme Mischung: So können sie am Tag nicht herumfliegen, weil das ihre Augen nicht vertragen, denn auf Dauer wird das Licht ihnen ziemliche Schmerzen bereiten. Nachts hingegen sehen sie gar nichts und sind völlig orientierungslos. Die einzige Zeit, in der sie sich bewegen können, ist die Dämmerung.“
Tiark wandte sich an Gemma: „Wenn ihr wusstet, dass diese Tiere nur zu bestimmten Zeiten unterwegs sind, warum bist du dann nicht tagsüber an die Quelle gegangen?“
Gemma starrte auf ihre Fußspitze, die sich in den schlammigen Boden bohrte, und antwortete mit weinerlicher Stimme. „Ich bin ja auch mittags losgezogen. Aber als sich das Licht so schön im Kristall gebrochen hat, da habe ich wohl ein bisschen die Zeit vergessen...“
„Jetzt verstehe ich auch, warum sie auf glitzernde Dinge reagieren“, fuhr Daphnus fort, „wenn es dunkler wird, sind die Lichtreflexe das Einzige, was sie genau erkennen können.“
Jayel nagte an ihrer Unterlippe und starrte die tote Krätsche an. „Wisst ihr, was das heißt?“, sagte sie langsam. Die anderen wandten sich ihr zu und blickten sie fragend an. „Das bedeutet, die Krätschen sind tagsüber irgendwo, wo keine Sonne hinkommt. Ihr Nest muss völlig dunkel sein. Und in der Dämmerung müssen sie alle hinaus, um Nahrung zu suchen. Das heißt, dann können wir gefahrlos hinein!“
Tiark schob das Kinn vor und verschränkte wieder einmal die Arme vor der Brust: „Ja, und wenn die Krätschen von der Jagd zurückkommen, finden sie gleich noch ihr Abendessen zu Hause vor. Nein, nein, das ist viel zu gefährlich. Wir sollten sie direkt angreifen, das Nest abbrennen oder ähnliches.“
„Aber wir wissen doch überhaupt nicht, wie viele Krätschen es gibt“, versuchte Jayel ihn zu überzeugen, „vielleicht sind es Hunderte. Einer solchen Übermacht sind wir
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