Das ewige Lied - Fantasy-Roman
bisherigen Reise und den Ereignissen, die sie zu den Erdmenschen geführt hatten. Jayel hatte nicht mehr die Energie, für Kolpe einen angemessenen Bardenvortrag zu halten, darum war sie froh darüber, dass sich auch die anderen an dem Bericht beteiligten. Seitdem die Bardin das Lied vor der Versammlung gesungen hatte, fühlte sie sich erschöpft und matt. „Erlaubt mir eine Frage, Kolpe“, sagte sie schließlich, „das Lied, das ich vorhin gesungen habe, handelte von einer großen Mutter. Ist sie eure Göttin?“
Kolpe nickte: „Aber nicht nur die Unsere. Einst haben alle vier Völker die große Göttin verehrt, doch mittlerweile erinnern sich nur noch wenige an sie. Ihr habt andere Götter gefunden, die ihr nun verehrt. Aber wahrscheinlich zeigt sich auch in ihnen die große Mutter.“
Kallabul wandte ein: „Ich erinnere mich daran, dass früher bei uns auch eine Göttin verehrt wurde, die Geliebte unseres Meeresgottes, den die Menschen Fluidos nennen.“ Kolpe antwortete dem Aquanten nicht, sondern nickte nur zustimmend.
Nachdem das Essen beendet war, fühlte sich Jayel schläfrig. Sie lehnte sich in ihren Fellen zurück und schloss die Augen, hörte dabei jedoch der Unterhaltung weiter zu, die sich noch eine Weile um profane Dinge, wie den Anbau von Korak und die Rattenjagd drehte.
Nach einer Weile meinte Kolpe: „Ich lasse euch jetzt schlafen. Es ist das Beste, wenn ihr hier am Feuer bleibt, die anderen Räume werden zu kalt für euch sein. Eure junge Freundin weilt ja bereits im Reich der Träume. Gute Nacht!“ Jayel war zu schläfrig, um die anderen darüber aufzuklären, dass sie sehr wohl noch wach war. Sie genoss die Wärme des Feuers und die eintretende Ruhe, als Kolpe und Tiark gegangen waren.
„Schweigsamer Kerl, dieser Tiark, hm?“, hörte sie schließlich Daphnus sagen. „Hat den ganzen Abend kein Wort gesagt.“
„Stimmt“, sagte Kallabuls Stimme rechts von ihr. „Aber die Erdmenschen sind generell nicht sonderlich gesellig. Kolpe war höflich, weil wir seine Gäste sind. Im übrigen ist es bei ihnen Sitte, dass die Söhne schweigen, wenn ihr Vater spricht. Sind auch sehr konservative Burschen.“ Es war für eine Weile still, dann fuhr Kallabul fort: „Naja, jedes Volk hat seine Eigenheiten, nicht wahr? Die Elfen zum Beispiel würden es hier drin nicht aushalten, sie würden regelrecht durchdrehen – ihr habt Glück, dass euer elfisches Erbe nicht allzu stark ausgeprägt ist...“ Jayel wollte eigentlich verblüfft die Augen aufreißen, doch die Müdigkeit war stärker als sie, und so konnte sie nur weiter zuhören, als Daphnus antwortete: „Ist es so offensichtlich?“
Kallabul lachte: „Zumindest für jemanden, der schon einmal einen Elfen zu Gesicht bekommen hat und euch jetzt hier unten erlebt. Das Volk der Luft ist eben nicht dafür geschaffen, unter der Erde zu hausen.“ Er wurde wieder ernst. „War es eure Mutter?“
Jayel hörte, wie Daphnus zögerte, dann sagte er: „Nein, meine Großmutter. Mein Großvater stammte ironischerweise von Erdmenschen ab. Meine Mutter wuchs allerdings nicht im Reich der Elfen auf, sondern bei den Menschen. Später hat sie auch einen geheiratet, aber von ihrer Herkunft erfahren hat kaum jemand. Nur mein Vater und ich, als sie starb.“
Eine Weile war es still und Jayel hörte nur das Prasseln der Flammen, dann fuhr Daphnus fort: „Von ihr habe ich mein magisches Talent geerbt; ausgebildet wurde ich auf der Magierakademie. Deswegen kommt es leider öfters vor, dass mir die Naturmagie meiner Mutter einen Strich durch die Rechnung macht und mich beim Wirken der akademischen Zauber stört.“
„Ich würde euch empfehlen, lieber auf die Naturmagie zu hören!“, riet Kallabul. „Sie ist unberechenbarer, aber auch um einiges machtvoller und reiner als die kalkulierte Magie der Menschen. Aber ich fühle, in euchsteckt noch mehr. Ich will es euch verraten...“ Die letzten Sätze schienen aus weiter Ferne zu kommen, und obwohl sich Jayel dagegen wehrte und ihre Neugierde lieber der Unterhaltung weiter gefolgt wäre, wurde sie schließlich vom Schlaf übermannt.
Am nächsten Morgen wurde Jayel unsanft von Kolpe geweckt, der an ihrer Schulter rüttelte: „He, junge Frau, aufgestanden! Der Rat trifft sich in kurzer Zeit, wir sollten bald dort sein.“
Jayel richtete sich verschlafen auf und blickte sich verwirrt um. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie war, doch dann fielen ihr die vergangenen Ereignisse ein, ebenso wie die
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