Das Experiment Angel - Maximum Ride ; 1
wir sonst von absolut nichts Ahnung hätten. Aber keine Schulen, keine Ärzte, keine Sozialarbeiter klopfen an unsere Tür. Es ist ganz einfach: Solange niemand von uns weiß, bleiben wir am Leben.
Ich suchte in der Küche nach etwas Essbarem, als ich hinter mir schlurfende Schritte hörte.
»Morgen, Max.«
3 »Morgen, Gasi«, sagte ich, als sich der Achtjährige mit schlaftrunkenen Augen am Tisch niederließ. Ich massierte ihm den Rücken und gab ihm einen Kuss auf den Kopf. Seit er ein Baby war, war er der Gasman. Was soll ich sagen? Bei diesem Kind stimmte etwas nicht mit der Verdauung. Ein guter Rat: Gib Acht, dass du den Wind im Rücken hast.
Der Gasman blickte mich an. Seine großen blauen Augen waren rund und voll Vertrauen. »Was gibt’s zum Frühstück?«, fragte er und setzte sich. Sein feines blondes Haar klebte an seinem Kopf und erinnerte mich an die Daunen eines gerade flügge gewordenen Vogels.
»Hm, ist ’ne Überraschung«, sagte ich, da ich keinen blassen Schimmer hatte.
»Ich gieß den Saft ein«, erbot sich der Gasman. Mir wurde warm ums Herz. Er war so ein süßes Kind, seine kleine Schwester ebenso. Er und die sechsjährige Angel waren die einzigen blutsverwandten Geschwister unter uns, aber wir waren dennoch eine richtige Familie.
Ein Schwarm, um genauer zu sein. Wie ein Schwarm Vögel.
Kurz danach schob sich Iggy in die Küche, blass und groß. Mit geschlossenen Augen fiel er auf unsere alte Couch. Eine perfekte Landung. Er hatte nur dann Probleme mit seiner Blindheit, wenn einer von uns die Möbel umstellte.
»He, Iggy, aufstehen und lächeln«, sagte ich.
»Beiß mich doch«, murmelte er verschlafen.
»Okay, dann eben kein Frühstück«, sagte ich.
Ich schaute in den Kühlschrank mit der naiven Hoffnung, dass die Essensfee gekommen sei. Da kribbelte mein Nacken. Schnell richtete ich mich auf und wirbelte herum.
»Hör sofort damit auf!«, sagte ich.
Fang erschien immer so lautlos, aus dem Nichts, wie ein lebendig gewordener Schatten. Er betrachtete mich ruhig. Er war vollständig angezogen und hellwach. Seine überlangen dunklen Haare hatte er zurückgebürstet. Er war vier Monate jünger als ich, aber bereits zehn Zentimeter größer. »Womit soll ich aufhören? Zu atmen?«, fragte er ruhig.
Ich verdrehte die Augen. »Du weißt genau, was ich meine.«
Iggy richtete sich mit lautem Stöhnen auf. »Ich mache Eier«, erklärte er. Ich nehme an, wenn ich empfindlicher wäre, würde es mich treffen, dass ein blinder Junge, sechs Monate jünger, besser kochen konnte als ich.
Aber das bin ich nicht.
Ich schaute mich in der Küche um. Das Frühstück war in Arbeit. »Fang? Du deckst den Tisch. Ich hole Nudge und Angel.«
Die beiden Mädchen teilten sich das kleine Schlafzimmer. Ich öffnete die Tür. Die elfjährige Nudge schlief noch, in ihre Decke gewickelt. Mit geschlossenem Mund ist sie kaum zu erkennen, dachte ich. War sie wach, nannten wir sie Radio Nudge. Sie plapperte pausenlos.
»He, Schätzchen, aufstehen«, sagte ich und schüttelte sie sanft an der Schulter. »Frühstück in zehn Minuten.«
Nudge blinzelte und hatte Mühe, ihre braunen Augen auf mich zu richten. »Was?«, murmelte sie.
»Ein neuer Tag«, sagte ich. »Steh auf und stell dich ihm.«
Stöhnend erhob Nudge sich in eine schiefe, aber technisch gesehen sitzende Position.
Ihr gegenüber verhüllte ein dünner Vorhang die Ecke. Angel liebte kleine gemütliche Räume. Ihr Bett hinter dem Vorhang war wie ein Nest, voll mit Plüschtieren, Büchern, Kleidung. Ich lächelte und zog den Vorhang zurück.
»He, du bist ja schon angezogen«, sagte ich und beugte mich hinunter, um sie in den Arm zu nehmen.
»Hallo, Max«, sagte Angel und holte die blonden Locken aus dem Kragen. »Kannst du mich zuknöpfen?«
»Na, klar.« Ich drehte sie um und machte mich ans Werk.
Ich habe es den anderen nie gesagt, aber ich liebte, ja, ich liebte Angel. Vielleicht weil ich für sie gesorgt hatte, seit sie ein Baby war. Vielleicht weil sie so unglaublich süß und liebenswert war.
»Vielleicht weil ich dein kleines Mädchen bin, Max«, sagte Angel, drehte sich um und schaute mich an. »Aber mach dir keine Sorgen, Max. Ich werde es keinem sagen. Außerdem habe ich dich auch am liebsten.« Sie schlang die dünnen Ärmchen um meinen Hals und gab mir einen leicht klebrigen Kuss auf die Wange. Ich drückte sie an mich. Ach ja, das ist noch eine Besonderheit bei Angel.
Sie kann Gedanken lesen.
4 »Heute geh ich Erdbeeren
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