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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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ebenfalls heruntergekommen aussehender Flachbau mit mehreren geschlossenen Garagentüren – ich zähle zwölf –, die teilweise mit Graffitis verunziert sind.
    Ich gehe ein Stück weiter, erwarte fast, Hilferufe oder ein Weinen zu hören, aber es ist still. Ich passiere eine kleine Kreuzung, danach bedeutet mir ein Straßenschild, dass der Haager Weg jetzt in eine Sackgasse mündet.
    Die feuchte Kälte frisst sich durch die Jogginghosen. Mein Kapuzenshirt bietet ebenfalls keinen ausreichenden Schutz.Ich trabe auf der Stelle, um meinen Kreislauf anzuregen, aber meine Füße fühlen sich trotzdem eisig an. Dennoch drehe ich nicht um, laufe nicht nach Hause. Etwas hält mich hier fest, eine Art Instinkt. Noch einmal horche ich, registriere jedes Geräusch. Aber bis auf das leise Rauschen des Verkehrs am Lessingdamm ist wirklich nichts zu hören.
    Schließlich zwinge ich mich, vernünftig zu sein, und ermahne mich, von hier wegzukommen. Es müsste mich ja nur zufällig jemand sehen, der mich kennt, und ich käme in Erklärungsnot: Es gibt nicht einen unverdächtig klingenden Grund, mich hier aufzuhalten. Ich beginne zu laufen, schließlich beinahe zu rennen. Mindestens zwanzig Minuten bin ich unterwegs, aber ich werde eher schneller als langsamer. Meine Kondition scheint unerschöpflich zu sein. Als ich vor unserer Haustür ankomme, bin ich trotzdem völlig außer Atem. Außerdem stelle ich fest, dass alles, was ich anhabe, durchfeuchtet ist, selbst die Strümpfe und die Unterhose. Meine Turnschuhe sind auch nass und dazu so verdreckt, als wäre ich durch Schlamm gelaufen. Ich ziehe sie aus, bevor ich leise aufsperre und die Wohnung betrete.
    Ich hinterlasse feuchte Flecken auf dem alten Dielenboden, als ich mich ins Bad schleiche. Noch scheint niemand wach zu sein, ich kann also in aller Ruhe duschen, alles abwaschen, was mich belastet und beschäftigt. Ich schäume meinen ganzen Körper mit Duschgel ein, wasche mir auch noch die Haare, verkrieche mich förmlich im heißen Dampf, löse mich in einem allgemeinen Wohlbehagen auf, das mich meine Sorgen zumindest vorübergehend vergessen lässt.

4
    Der Tag vergeht irgendwie. Ich bin erschöpft und fühle mich wie unter einer Glasglocke, aber ich funktioniere einwandfrei. Der Chef der Grafikdesign-Agentur meldet sich und möchte noch einmal alles besprechen, aber bitte nicht am Telefon, ich soll vorbeikommen. Das reißt mir den ganzen Tag auseinander, weil ich eigentlich noch vier weitere Termine habe, von denen ich zwei nun verschieben muss.
    Ich fahre also zum zweiten Mal in diese Firma. Wieder höre ich die Nachrichten, wieder wird gemeldet, dass es von Anne weiter keine Neuigkeiten gebe, die Polizei aber auf Hochtouren ermittle. »Sachdienliche Hinweise …« Ich schalte das Radio aus und sehe schließlich von Weitem eine Parklücke. Aber als ich ankomme, war ein anderer schneller.
    Ich schlage mit der flachen Hand auf das Steuer und fluche laut. Das ist normalerweise überhaupt nicht meine Art.
    Birgit sagt, dass ich der erste Mann sei, bei dem sie als Beifahrerin selbst auf einer überfüllten Autobahn mit rücksichtslos überholenden Lastwagen nie Angst habe. Ich fluche wirklich fast nie, auch nicht unterdrückt. Ich versuche, in jeder Situation Gelassenheit auszustrahlen, weil ich merke, dass ich mich dann besser fühle. In den wenigen Momenten meines Lebens, in denen meine finstere Seite die Oberhand gewonnen hat, habe ich es anschließend immer bereut, mich nicht zusammengerissen zu haben.
    Ich glaube nicht, dass Aggression etwas abbaut. Sie baut vielmehr etwas auf, nämlich neuen Zorn, der sich irgendwann aus sich selbst ernährt.
    Deshalb glaube ich an die Segnungen der Sublimierung. Die Energie der Wut ist dafür da, sie in andere Kanäle zu leiten, wo sie produktiv wirken kann.
    So bin ich die letzten dreißig Jahre gut über die Runden gekommen. Seit drei Tagen funktioniert das System nicht mehr. Ich funktioniere nicht mehr.
    Ich suche einen anderen Parkplatz und finde ihn schließlich drei Querstraßen weiter. Ich packe meine Unterlagen zusammen und eile in Richtung Firmengebäude. Wieder ist es ein finsterer Tag mit einer einheitlich steingrauen Nebeldecke, die so dicht über der Erde lastet, dass die höheren Gebäude beinahe darin verschwinden.
    Ich habe den Mantelkragen hochgeschlagen, halte die Augen gesenkt. Seitdem ich weiß, dass Anne verschwunden ist, habe ich das Gefühl, dass man mir die Angst und das schlechte Gewissen ansieht. Ich laufe

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