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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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Gott wo ist, und leuchtet in ihr Gesicht.Sie stellt fest, dass Annes Lippen ebenfalls geschminkt sind, in einem kräftigen bräunlichen Ton. Das muss der Täter getan haben, denn Anne hat ihre Lippen nie geschminkt, das hätte man sonst auf den Fotos gesehen.
    Anne mochte den natürlichen Look.
    Ansonsten könnte sie auch vom Himmel gefallen sein. Sie liegt auf dem Rücken, die Arme gerade an ihrem Körper, die Beine eng beieinander und gerade ausgestreckt. Die Leichenstarre ist schon vorbei, sie ist ganz schlaff und schwer. Überall sind diese tiefen Schnitte. Sie sieht aus wie eine zerstörte Kleiderpuppe. Es riecht nach nasser Erde, nach Herbst und ein bisschen nach Tod.
    »Post mortem«, sagt Gronberg leise, als würde er über etwas nachdenken, sich an etwas erinnern.
    Ein Polizist in Uniform kommt zu Sina und Gronberg, eine ältere Frau mit strengem Gesicht im Schlepptau.
    Vielleicht eine Zeugin, denkt Sina, und ihre Laune hebt sich.
    »Wir haben jetzt alle Nachbarn befragt«, sagt der Polizist. »Und das ist Frau Lewandewski.«
    »Lewandowski«, verbessert die Frau. Sie trägt einen dunklen, kastenförmig geschnittenen Mantel, den sie bis zum Hals zugeknöpft hat.
    »Sie haben etwas gesehen?«, fragt Sina.
    »Das stimmt so nicht.« Sie gehört zu den Menschen, die immer Widerworte haben.
    »Sie wohnt gegenüber und hat gestern gegen 20 Uhr einen Wagen gesehen«, sagt der Polizist. »Hier, direkt vor dem Haus. Einen schwarzen Transporter, der niemandem aus der unmittelbaren Nachbarschaft gehört.«
    »Wissen Sie die Marke?« fragt Sina.
    »Volkswagen«, sagt die Frau schnell, damit ihr der Polizist nicht mehr zuvorkommen kann. »T5«, präzisiert sie mit triumphierendem Lächeln.
    »Woher wissen Sie das?«, fragt Gronberg.
    »Wir hatten mehrere T5. Für den Handwerksbetrieb. Seit einem Jahr haben wir uns zur Ruhe gesetzt.« Die Frau nickt heftig und sieht dabei zufrieden aus wie jemand, der seine Pflicht erfüllt hat.
    »War er schwarz oder dunkelblau?«, fragt Sina.
    »Ganz sicher schwarz. Wir hatten dunkelblaue, ich kenne den Unterschied.«
    »Es war dunkel und windig …«
    »Schwarz.«
    »Nur das Kennzeichen weiß sie nicht«, sagt der Polizist, und es klingt ein bisschen hämisch.
    »Das stimmt so nicht.«
    »Nein?«, fragt Sina.
    »Es war ein Leydener Kennzeichen. LEY . Und irgendwo war eine 8. Und vielleicht eine 4.«
    »Das ist schon einmal nicht schlecht«, sagt Gronberg, und man hört die Ungeduld in seiner Stimme.

5
    In den Spätnachrichten wird Anne nicht einmal erwähnt. Das heißt entweder, dass man sie nicht gefunden hat und dass es auch sonst nichts Neues zu berichten gibt, oder dass die Polizei eine Nachrichtensperre verhängt hat. Ich entscheide mich für die erste Variante und trinke zwei Gläser Wein, die ihren Zweck erfüllen und mich beruhigen. Teresa heult währenddessen laut in ihrem Zimmer, weil sie aufgrund ihres Hausarrests nicht auf eine Party gehen kann. Birgit hat sich mit einer Freundin verabredet und mir bedeutet, dass ich nicht auf sie warten soll. Ich werte das als eine Art Vergeltungsaktion für mein spätes Heimkommen und verstehe sie, ohne das Geringste daran ändern zu können.
    Ich gehe früh ins Bett und schlafe diesmal traumlos und so tief, dass neben mir wahrscheinlich eine Bombe hätte explodieren können. Am nächsten Morgen bin ich genau zur richtigen Zeit wach, nämlich um halb sieben. Ich jogge ein paar Runden, laufe erfrischt die Treppen hoch.
    Als ich unter der Dusche stehe, höre ich, wie Birgit die Tür öffnet, meinen Namen ruft und noch etwas sagt, das ich nicht verstehen kann. Ich mache die Dusche aus und wische mir die Tropfen vom Körper, bleibe mitten in meiner dampfigen Zuflucht stehen und spüre den Widerwillen, sie zu verlassen. Es nützt natürlich nichts.
    »Was ist los?«, frage ich also, schiebe die gläserne Trennwand schließlich beiseite, steige aus der Dusche und greife nach dem frisch zusammengefalteten Handtuch, das Birgit aufs Waschbecken gelegt hat. Birgit sieht verschlafen und erschöpft aus,aber nicht nur das, da ist noch etwas anderes in ihrem Blick, ihrer Stimme.
    Sie sagt: »Da ist jemand von der Polizei, die wollen dich sprechen.«
    Die Kommissarin ist eine Frau um die vierzig mit streng aus der Stirn gekämmten Haaren, die sie hinten zu einem dicken kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden hat. Sie trägt eine Jacke aus teuer aussehendem schwarzem Leder, dazu enge Hosen. Sie wirkt sehr selbstsicher und cool. Ihr graubärtiger Kollege

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