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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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der Vernehmung, ist frisch und hübsch.
    »Ich will nur eins von dir wissen«, sagt Sina, obwohl das natürlich nicht stimmt. Sie braucht alles, die ganze verdammte Geschichte.
    »Wovor hast du Angst gehabt?«
    Bei der Vernehmung hat Mieke nicht ängstlich gewirkt. Sie hat ihre Version so unbefangen und überzeugend erzählt, dass Sina und Gronberg darauf hereingefallen sind wie Anfänger.
    »Du hättest uns die Wahrheit gesagt, wenn du keine Angst gehabt hättest, das weiß ich. Du bist keine Lügnerin. Deswegen haben wir dir auch geglaubt. Du hättest uns nicht angelogen, wenn du nicht einen guten Grund gehabt hättest.«
    Mieke bewegt sich nicht.
    »Aber wenn du jetzt nicht redest, bringst du dich in Schwierigkeiten. Dich und deine Eltern und alle, die du kennst.«
    Mieke dreht sich um. Ihr Gesicht ist tränenüberströmt, ihre Augen sind dick und rot. Sina dreht den Kopf der Nachttischlampe nach oben, sodass Mieke das Licht nicht mehr direkt ins Gesicht scheint.
    »Setz dich hin«, sagt Sina sanft.
    Mieke richtet sich gehorsam auf, Sina gibt ihr ein Papiertaschentuch und legt die angebrochene Packung auf den Nachttisch. Mieke schnäuzt sich und zerknüllt das Taschentuch in ihrer Hand.
    »Karens Vater«, sagt Mieke schließlich. Sie setzt sich in den Schneidersitz, verknotet umständlich ihre Beine, schnäuzt sich ein zweites Mal.
    »Hattest du Angst vor ihm?«
    »Er bringt mich um.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Na …« Mieke sieht sie an, als könnte sie so viel Begriffsstutzigkeit nicht fassen. Sina erinnert sich an Karens Vater, denSteuerberater Hans Beck. Er hat keinen cholerischen Eindruck auf sie gemacht, im Gegensatz zu seiner Frau wirkte er gefasst.
    »Was ist mit ihm?«, fragt sie.
    »Er bringt mich um«, wiederholt Mieke. Es klingt resigniert, nicht so, als würde sie sich aufspielen.
    »Das tut er nicht«, sagt Sina. Sie hat Hans Beck gemeinsam mit Gronberg vernommen, er war am Boden zerstört, aber er wirkte nicht aggressiv, keine Sekunde lang. Sie denkt nach. Als Täter kam er von Anfang an nicht infrage, er war in beiden Fällen auf Geschäftsreise, mindestens zwölf Kollegen und Geschäftspartner konnten das bestätigen.
    Hat sie etwas übersehen?
    »Er mag mich nicht«, sagt Mieke. »Er mochte mich noch nie. Er hat gesagt, ich hätte einen schlechten Einfluss auf Karen.«
    »Wann hat er das gesagt?«
    »Danach.«
    »Nachdem wir sie gefunden haben?«
    »Ja. Er hat mich angesehen wie jemanden, den er hasst. Und jetzt …« Mieke beginnt wieder zu schluchzen. Sina wartet geduldig. Es ist stickig. Es riecht nach Schweiß und einem süßlichen Parfum. Und nach Sinas Versagen.
    Schließlich sagt sie in Miekes Weinen hinein: »Karens Vater hat einen Schuldigen gesucht, weil er sich schuldig fühlt, das ist normal. Er hat seine Tochter nicht beschützen können. Väter wollen ihre Familie beschützen, und wenn sie merken, dass sie machtloser sind, als sie gedacht haben, können sie damit nicht umgehen, und dann werfen sie mit Schuldzuweisungen um sich. Er wird nichts erfahren. Das verspreche ich dir. Er wird nicht erfahren, von wem wir was wissen.«
    Sie haben wertvolle Zeit vertan. Nie wird sich Sina das verzeihen.
    »Ganz sicher?« Miekes Tränen scheinen endlich zu versiegen.
    »Du musst dich nicht mehr fürchten. Kann ich dir jetzt ein paar Fragen stellen?«
    »Ja.« Ein tiefer, verschnupfter Seufzer, erleichtert und verzweifelt.
    »Karen hat sich mit einem Jungen getroffen?«
    »Ja.« Ein neuer Seufzer, diesmal theatralisch: Mieke ist jetzt Mitwirkende in einem Drama und genießt es. Ein bisschen zumindest.
    »Wie hieß er?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Vielleicht Leander? Leander Kern?«
    »Karen hat nur gesagt, dass er ganz toll aussieht und ganz tolle Sachen schreibt.«
    »Sie hat ihn gar nicht gekannt, stimmt das?«
    »Über Facebook. Er hat ihr eine Freundschaftsanfrage geschickt.«
    »Bist du auch mit ihm befreundet?«
    »Ich habe ihm eine Anfrage geschickt. Aber er hat sie ignoriert.«
    »Ignoriert?«
    »So heißt das. Wenn man jemanden nicht zum Freund haben will, ignoriert man seine Anfrage.«
    »Dann weißt du also, wie er heißt?«
    Mieke senkt den Kopf, lässt ihn über die verschränkten Beine sinken, ihre Haare fallen nach vorn, verdecken ihr Gesicht. »Er heißt Leander.«
    »Leander? Leander Kern?«
    »Ja.«
    »So, Mieke, und jetzt ist Schluss mit den Lügen. Verstehst du mich?«
    »Okay.«
    »Sonst muss ich dich vorladen. Dich und vielleicht deine Eltern. Und dann kommt alles raus.

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