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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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scharfe und weiche Flüssigkeit wie Nektar. Eine Euphoriewelle schlägt über mir zusammen, hüllt mich ein.
    Ich lächle glücklich.
    »Wie heißt du?«, frage ich.
    »Leander«, sagt er. Ich grüble kurz über diesen ungewöhnlichen Namen, dann lege ich den Arm um seine Schultern und wir schwören uns ewige Freundschaft. Er deutet auf ein junges Mädchen im Kreis ihrer Freundinnen. Sie stehen nicht weit weg von uns, lachen und schreien sich an, wie alle hier.
    »Siehst du die?« Seine Stimme schwankt leicht.
    Sie ist jung, schlank, blond, trägt einen Pagenkopf, der akkurat bis zum Kinn geschnitten ist. Ich atme tief ein, Feuer lodert in mir auf.
    »Ja«, sage ich. »Deine Freundin?«
    Leander lächelt. »Ich weiß jedenfalls, wo sie jeden Mittwoch um sechs ist.«
    »Was meinst du damit?«
    »Da kommt sie von der Klavierstunde. Harlemgasse 7. Du musst sie einfach nur abpassen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Geh einfach hin, dann wirst du es sehen.«
    Chaotische Erinnerungen, die sich auf qualvoll langsame Weise zu einem Ganzen fügen.
    »Du hast mich hypnotisiert«, wiederhole ich.
    »Ja, aber das würde ich besser nicht als Entschuldigung werten. Hypnose bringt niemanden dazu, ein Verbrechen zu begehen. Niemanden, der es nicht will.«
    »Ich habe kein Verbrechen begangen.«
    »Ach, wirklich? Du hast mich vergessen, du hast die Art und Weise vergessen, wie du Silvia Johansson wirklich kennengelernt hast. Also was weißt du schon?«
    Er hat recht.
    Erbarmungslos fährt er fort: »Was hast du dir eingeredet, Lukas? Dass du Silvia zufällig getroffen hast?«
    »Ich hatte einen beruflichen Termin in der Harlemgasse.« Aber im selben Moment merke ich, dass dieser Termin nie existiert hat.
    »Den Termin habe ich dir ins Hirn gepflanzt, du Idiot. Das geht ganz leicht. Je betrunkener, desto leichter. Deine sogenannten Erinnerungen sind einen Scheißdreck wert.«
    »Wie oft haben wir uns schon gesehen?«
    »Das wirst du schon noch herausfinden.«
    »Warum?«, frage ich.
    »Warum was?«
    »Warum tust du mir das an? Was hast du davon?«
    »Das weißt du doch.«
    Eine Minute vergeht, vielleicht auch zwei. Ich warte schweigend, während ich die Haustür im Auge behalte. Was hat er mit Teresa getan? Er wird es mir sagen, wenn ich cool bleibe. Und ich werde dann tun, was immer er will, denn Teresa ist wichtiger als alles andere, wichtiger auch als die Unversehrtheit Silvia Johanssons.
    Leander Kern holt eine kleine Flasche Wodka aus der Tasche seines Parkas, öffnet sie, trinkt einen Schluck und hält sie mir hin. Und obwohl ich weiß, dass in dieser Flasche ganz sicher nicht nur Wodka ist, trinke ich, trinke ich so lange, bis sie leer ist. Und nur Minuten später kommt es, nicht die Euphorie des ersten Abends unseres Kennenlernens, aber zumindestein angenehmes Gefühl von Gelassenheit und Abgestumpftheit.
    Ja, ich werde Silvia Johansson töten, wenn er das von mir verlangt, genau auf die Art, die er verlangt, und sei sie noch so blutig und abstoßend, und dann werde ich die Schuld auf mich nehmen, für diesen und auch für die anderen Morde. Denn das wird es sein, was er will. Alles ist jetzt vollkommen klar. Er hat dieselben Gelüste wie ich, und im Unterschied zu mir ist er entschlossen, sie auszuleben. Nachdem meine Schuld festgestellt ist, wird er sich in eine andere Stadt, vielleicht in ein anderes Land begeben. Er wird andere Taten studieren, Taten, für die irgendein junger Mensch früher einmal jahrelang ins Gefängnis kam. Und dann wird er Morde im selben Modus Operandi verüben, im Windschatten eines Erwachsenen, der so verzweifelt wie ich versucht, seiner Vergangenheit zu entkommen.
    Warum? Weil er ist, wie ich damals war. Jung, stark und getrieben. Allmächtig, weil er keine Gewissensbisse kennt. Ich habe wenigstens einmal geliebt – Marion. Er liebt niemanden. Das macht ihn vollkommen frei.
    Ich ertappe mich dabei, ihn zu beneiden.
    »Leander Kern?«, frage ich.
    Leander Kern lächelt.
    Er ist ein Vampir, der sich von fremdem Blut nährt, und wahrscheinlich bin ich nicht sein erstes Opfer. Dafür handelt er bereits zu routiniert. Er weiß zu genau, was er tut. Bisher hat alles in seinem Sinne funktioniert. Er hat mich hierhergeführt, ohne dass ich die Manipulation bemerkt habe.
    Er ist perfekt.
    Ich denke nach. Vielleicht gibt es eine schwache Stelle bei ihm.
    »Habe ich Anna Martenstein getötet?«, frage ich.
    »Natürlich.«
    »Wie habe ich es getan?«
    »Das musst du doch am besten wissen.«
    Aber natürlich

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