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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Gaststätte zwischen Gerlach und Würpatz Pause und trank eine Tasse Kaffee. Versuchte sich zu sammeln und ihre bohrende Unruhe zu bezähmen, während sie in den Tageszeitungen blätterte. Dort stand keine Zeile. In keiner.
    Sie fuhr ohne anzuhalten durch Linzhuisen und hatte kurz nach halb zehn das Haus erreicht. Stieg aus und bahnte sich einen Weg zur Tür. Mit einiger Mühe konnte sie sie öffnen, und danach brauchte sie nicht lange, um einzusehen, dass ihre Befürchtungen durchaus zutreffen könnten.
    Sicher war sie natürlich noch immer nicht, aber wo sie nun schon einmal so weit gekommen war, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich an die Polizei zu wenden.
     
    Das tat sie dann auch umgehend: vom Postamt in Linzhuisen aus, genauer gesagt, der Anruf wurde um 10.03 Uhr in der Maardamer Wache vom Dienst habenden Polizeianwärter Pieter Willock registriert.
    Zehn Minuten später öffnete Kriminalinspektor Rooth die Tür zum Arbeitszimmer des Kollegen Münster, ohne vorher anzuklopfen, und verkündete mit kaum verhohlener Aufregung:
    »Ich glaube, wir haben ihn!«

10
    Schlafen, dachte er. Nur schlafen.
    Die Stunden vor seiner Aufnahme im Krankenhaus waren nicht zu der erwarteten Orgie der Einsamkeit geworden, und vielleicht lag es ebenso an den Telefonstimmen wie an
dem, was ihm bevorstand, dass er bis in die frühen Morgenstunden keinen Schlaf finden konnte.
    Nicht, dass sie offen versucht hatten, Abschied von ihm zu nehmen, so hatten sie sich zumindest nicht angehört. Aber wenn etwas Unvorhergesehenes eintreffen sollte, dann wäre es für sie sicher eine Befriedigung, dass sie am letzten Abend noch mit ihm gesprochen hatten.
    Renate war die Erste. Schlich wie immer wie die Katze um den heißen Brei; erzählte vom Sommerhaus, das sie einst besessen hatten, von Büchern, die sie nicht gelesen, sondern irgendwo im Schaufenster gesehen hatte, von ihrem Bruder und ihrer Schwägerin (diesem hassenswerten Bruder, mit der Schwägerin hatte er sich aus unerfindlichen Gründen immer gut verstanden – damals, wohlgemerkt), und erst nach fünfzehn oder zwanzig Minuten brachte sie unaufgefordert das Thema Operation zur Sprache.
    Ob er sich Sorgen mache?
    Ach, das nicht? Na, das hatte sie natürlich auch nicht erwartet. Aber er würde sich doch auf jeden Fall melden, wenn alles vorüber wäre?
    Er hatte ihr ein halbes Versprechen gegeben. Er war zu allem bereit, wenn sie nur nicht vorschlug, wieder zusammenzuziehen. Sie lebten jetzt seit fast drei Jahren getrennt, und wenn er in seinem Leben etwas nicht bereute, dann war das die Trennung von Renate.
    Vielleicht könnte man gerade aus diesem Grund behaupten, ihre Ehe sei doch keine so große Torheit gewesen. Als Mittel zum Zweck gewissermaßen.
    Depressive Menschen sollten sich voreinander hüten, hatte Reinhart einmal gesagt. Die Summe werde zumeist größer als die Teile. Um einiges größer.
     
    Und dann war da noch Mahler. Kaum hatte er das erste Telefongespräch beendet, als er auch schon den alten Poeten an der Strippe hatte.

    Er hatte das Bevorstehende offenbar erwähnt. Vermutlich bei der Schachpartie am vergangenen Samstag. Es war aber auf jeden Fall eine Überraschung. Mahler war kein Mensch, der ihm nahe stand – was immer das bedeuten mochte –, aber vielleicht lag ja doch mehr in ihrem ruhigen Beisammensein im verräucherten Gewölbe, als er sich hatte vorstellen mögen. Oder als er sich vorzustellen gewagt hatte. Er hatte sich die Sache natürlich nicht weiter überlegt, aber auf jeden Fall war der Anruf eine Überraschung gewesen.
    »Du musst sicher zwei Runden aussetzen, stelle ich mir vor«, hatte er gesagt, dieser Mahler.
    »Bin bald wieder da«, hatte Van Veeteren geantwortet. »Und nichts steigert die Fähigkeiten besser als zwei Wochen Enthaltsamkeit.«
    Und Mahler hatte sein tiefes Lachen gelacht und ihm alles Gute gewünscht.
     
    Und dann hatte natürlich auch noch Jess angerufen.
    Hatte ihn aus der Ferne innig und töchterlich umarmt und versprochen, in einigen Tagen mit Weintrauben, Schokolade und Enkelkindern zu Besuch zu kommen.
    »Nie im Leben«, protestierte er. Die Kinder tausend Kilometer weit hierher zu schleppen, um einen grauen Drecksgreis anzustarren! »Ich würde denen doch eine Höllenangst einjagen!«
    »Unfug«, sagte Jess. »Danach gehe ich mit ihnen in eine Eisdiele, dann legt sich die Angst wieder. Ich weiß, dass du eine Heidenangst vor der Operation hast, aber das streitest du natürlich ab, wenn jemand es

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