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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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bestanden, die sie auf dem Weg vom Flughafen in einer Abendzeitung gesehen hatte. Und die hätten sich auf alle Welt beziehen können.
    Später fand sie die Sache schon beunruhigender. Als sie ausgepackt und ihre beiden Tabletten genommen hatte, vertiefte sie sich in die Tageszeitungen, die Frau Pudecka wie immer ordentlich auf dem Küchentisch gestapelt hatte. Sie ließ sich in den Biedermeiersessel vor dem Kamin sinken und ging langsam eine nach der anderen durch, und dabei stiegen dann die bösen Ahnungen in ihr auf. Natürlich handelte es sich bis auf weiteres um pure Hirngespinste – um Grillen im Kopf, die vermutlich auf das Konto ihres nicht ganz reinen Gewissens gingen. Dieses vage Schuldbewusstsein,
das eigentlich ganz unbegründet war und das sie dennoch nie verließ ... Sie hätte es sich anders gewünscht. Hätte es vorgezogen, wenn das schlechte Gewissen sich entschlossen hätte, einfach nicht mehr da zu sein. Nie mehr.
    Aber das passierte natürlich nicht.
    Sie ging in die Küche. Kochte sich noch eine Tasse Tee, trug einige Zeitungen ins Schlafzimmer und ging sie noch einmal systematisch durch. Ausgestreckt lag sie unter der Decke und las, während sie in Gedanken in der Zeit zurückging und versuchte sich an Daten und Ereignisse zu erinnern. Als die Dämmerung einsetzte, nickte sie für einige Minuten ein, wurde dann aber aus einem Traum geschleudert, in dem sie sein Gesicht plötzlich ganz deutlich vor sich gesehen hatte.
    Sein ganz und gar stummes Gesicht mit den unergründlichen Augen.
    Sie streckte die Hand aus und knipste die Lampe an.
    Ob er es sein könnte?
    Sie schaute auf die Uhr. Halb sieben. Es war auf jeden Fall zu spät, um sich an diesem Abend noch ins Auto zu setzen. Und der Flug hatte sie wie immer müde gemacht. Niemand konnte verlangen, dass sie sofort aktiv wurde, aber sie wusste auch, dass sie diese Sache nicht einfach unter den Teppich kehren und hoffen konnte, dass sie dort bleiben würde. Es gibt Dinge, die man nicht einfach ausfallen lassen kann. Es gibt Pflichten.
    Sie duschte und verbrachte zwei Stunden vor dem Fernseher. Rief Liesen an und meldete sich zurück, erwähnte ihre Befürchtungen jedoch mit keinem Wort. Natürlich nicht. Liesen gehörte zu denen, die nichts wussten, es hatte nie einen Grund gegeben, sie in dieser Hinsicht ins Vertrauen zu ziehen.
    Keinen ersichtlichen Grund.
    In den Nachrichten wurde kein Wort über diese Angelegenheit gesagt. Was ja eigentlich kein Wunder war, es waren
schon über zwei Wochen vergangen, und es gab wichtigere Dinge, die der Bevölkerung mitgeteilt werden mussten. Vermutlich war die Sache schon aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden, und sie stellte sich vor, dass alles bald vergangen und vergessen sein würde, wenn sie sich jetzt nicht einschaltete.
    Vergangen und vergessen? Das war schließlich nicht dasselbe.
    Vergangen und vergessen.
    Sie seufzte nervös. Wäre das nicht doch die beste Lösung? Warum in aller Welt sollte sie diese alte Geschichte wieder aufwühlen? Wie viel Böses würde dabei ans Tageslicht kommen? Würde er denn nie damit aufhören, sie zu verfolgen wie ein ... wie ein, wie hieß das denn bloß heutzutage? Poltergeist? Irgendetwas in dieser Richtung jedenfalls.
    Aber da war dieses vage Gefühl. Dieses leichte, bohrende Schuldbewusstsein. Darum ging es hier. Würde sie sich jemals davon befreien können, wenn sie sich auch diesmal aus der Sache heraushielte? Eine gute Frage, zweifellos. Auch bei optimistischer Rechnung blieben ihr wohl kaum mehr als zehn oder zwölf Jahre, und dann würde auch sie das Ende erreicht haben.
    Und vor ihrem Schöpfer stehen. Und dann wäre es vielleicht angesagt, keinen Dreck mehr am Stecken zu haben.
    Ja, sicher. Sie seufzte, erhob sich und schaltete den Fernseher aus. Sie musste der Sache nachgehen.
    Ansonsten sprach eigentlich nichts, rein gar nichts dafür, dass er es war. Nicht im Geringsten.
    Bestimmt spielten ihr nur ihre Nerven einen Streich.
     
    Am frühen Morgen brach sie auf. Sie war um halb sechs aufgewacht, auch das war eine dieser unvermeidlichen Alterserscheinungen. Sie war aufgestanden, hatte gefrühstückt und noch vor sieben Uhr ihren Wagen aus der Garage geholt.

    Es war nicht viel Verkehr, als sie die Stadt hinter sich gelassen und das Hochland erreicht hatte, war sie fast allein auf der Straße. Es war ein schöner Morgen mit dünnem Dunst, der sich langsam auflöste, während die Sonne immer stärker wurde. Sie machte in der pittoresken

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