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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Villa entfernt. Auch ein etwaiges Zufrühkommen würde wohl keinen guten Eindruck machen, und er beschloss, sich einen Spaziergang durch dieses exklusive Viertel zu gönnen, in das er kaum jemals einen Fuß gesetzt hatte.
    Dazu bot sich einfach so selten ein Anlass. Was in Woosheim an Kriminalität vorkam, war von der verfeinerten wirtschaftlichen Sorte, mit der ein schnöder Kriminalbeamter nichts zu tun hatte.
    Die Häuser lagen am Westrand des Stadtwaldes; viele der großzügig bemessenen Grundstücke grenzten direkt daran an, und ihre Besitzer konnten auf diese Weise Stadt und Natur in einer recht angenehmen Kombination genießen. Insgesamt standen hier an die sechzig bis siebzig Häuser, allesamt zu Beginn des 20. oder am Ende des 19. Jahrhunderts errichtet; heutzutage würde man auf einer solchen Fläche zweifellos drei- oder viermal so viele Eigenheime unterbringen. Münster konnte sich denken, dass der Reichtum und das Vermögen, die sich hinter den blühenden Hecken und mit Kupfer gekrönten Mauern verbargen, beträchtlich waren. Pensionierte Chefärzte und Professoren, alte Generäle und Obergerichtsräte, der eine oder andere ehemalige Minister und Industriemagnat von der alten Sorte. Vielleicht noch eine zugezogene Adelsfamilie, die sich auf ihrem Landsitz gelangweilt hatte. Fest stand außerdem,
dass das Durchschnittsalter in diesem gut betuchten Viertel näher an hundert lag als an fünfzig. Und nicht einmal in dieser Gesellschaft konnte Richter Heidelbluum als junger Spund durchgehen.
    Eine aussterbende Rasse, dachte Münster, als er langsam über die stille, schwer nach Jasmin duftende Straße ging, und als er plötzlich hinter einer Hecke Kinderlachen und Platschen hörte, konnte er sich schon denken, dass hier vermutlich Urenkelkinder am Werk waren, keine Enkelkinder.
    Na ja, vieles hier wurde sicher vererbt, konnte man annehmen.
    Er erreichte die Heidelbluumsche Residenz und drückte auf den Klingelknopf neben dem steinernen Portal. Nach einiger Zeit hörte er Schritte auf dem Kiesweg und ein Dienstmädchen in schwarzem Rock und Bluse, mit Schürze und weißem Häubchen tauchte auf.
    »Ja?«
    »Münster von der Kriminalpolizei. Ich bin mit dem Herrn Obergerichtsrat verabredet.«
    »Bitte, kommen Sie mit«, sagte die Frau und öffnete das Tor.
    Sie war üppig und hatte schöne rote Haare. Kann höchstens neunzehn oder zwanzig sein, tippte Münster.
    Was für eigentümliche Welten es doch gab!
     
    Richter Heidelbluum erwartete ihn in der Bibliothek, deren Fenstertüren zum frisch gemähten Rasen und den blühenden Obstbäumen hin geöffnet waren. Die Grenze und der Kontrast zwischen drinnen und draußen wirkten fast parodistisch scharf, fand Münster. Draußen herrschte Frühling, das Leben blühte, es duftete herrlich und die Vögel sangen; drinnen dagegen gab es nur dunkle Eiche, Leder, Damast und alte Bücher. Und der ziemlich stechende Geruch der schwarz-grünen Zigarillos, von denen Heidelbluum immer nur einen Zug rauchte, um sie dann in einen Aschenbecher
aus stierblutfarbenem Porphyr zu legen, der vor ihm auf dem Schreibtisch stand.
    Diese Zigarillos ähnelten den dünnen Zigarren, die der Kommissar ab und zu rauchte, fand Münster. Vom Aussehen und vom Geruch her.
    Ihm wurde ein Ledersessel, ein klassisches englisches Stilmöbel, zugewiesen, der zu diesem Zweck vor den Schreibtisch geschoben worden zu sein schien, und als Münster darin versunken war, stellte er fest, dass der kahle und vogelähnliche Kopf des alten Richters einen guten halben Meter über seinem schwebte.
    Was natürlich kein Zufall war.
    »Ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie mich empfangen und mich einige Fragen stellen lassen«, sagte er.
    Heidelbluum nickte. Anfangs hatte er ziemlich abweisend gewirkt, doch dann hatten Hiller und Van Veeteren sich eingeschaltet und ihn zur Vernunft gebracht.
    Der ist nicht ganz klar in der Birne, hatte der Kommissar gewarnt. Jedenfalls nicht immer, du musst also ein bisschen behutsam ans Werk gehen.
    »Die Sache ist die«, sagte Münster nun, »dass Ihre Ansichten uns um einiges weiterhelfen können. Denn sicher kennt sich niemand mit dem Fall Leopold Verhaven besser aus als Sie.«
    »Ganz recht«, sagte Heidelbluum und gab sich Feuer.
    »Sie wissen, dass wir ihn ermordet aufgefunden haben?«
    »Das hat der Polizeichef erwähnt.«
    »Um ganz ehrlich zu sein, so tappen wir im Dunkeln, was das Motiv betrifft«, erzählte Münster. »Eine unserer Theorien baut darauf auf, dass es

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