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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Urteilsbegründung und so aus?«, fragte Münster vorsichtig.
    »Schwach«, sagte Heidelbluum. »Aber meiner Meinung nach ausreichend. Ich habe schon aus vageren Gründen Leute verurteilt.«
    »Zu zwölf Jahren?«
    Heidelbluum schwieg.
    »War das bei beiden Prozessen so?«, fragte Münster.
    Heidelbluum zuckte mit den Schultern.
    »Im Grunde schon«, sagte er. »Beides Indizienprozesse. Starke Staatsanwälte, Hagendeck und Kiesling. Verteidiger, die ihre Pflicht taten, mehr aber auch nicht. Die Marlenegeschichte hatte natürlich mehr Fleisch auf den Knochen, wenn Sie das so sagen wollen. Jede Menge Zeugen, Begegnungen und Uhrzeiten ... sogar Rekonstruktionen. Ein richtiges Puzzlespiel. Beim ersten Mal hatten wir ja fast nichts.«
    »Aber trotzdem wurde er verurteilt. Ist das nicht ein wenig seltsam?«, fragte Münster und überlegte zugleich, ob er damit nicht schon ein wenig zu weit ging.
    Aber Heidelbluum schien diese behutsame Andeutung
nicht registriert zu haben. Er beugte sich über seinen Schreibtisch, schaute in den Garten hinaus und schien in irgendeine Überlegung vertieft zu sein. Eine halbe Minute verstrich.
    »Zwei wollten ihn freisprechen«, sagte er plötzlich.
    »Verzeihung?«
    »Frau Paneva und dieser Fabrikant wollten ihn laufen lassen... zwei von fünf Geschworenen waren gegen eine Verurteilung, aber wir haben sie überredet.«
    »Ach?«, fragte Münster. »Und bei welchem Prozess war das?«
    Heidelbluum ignorierte diese Frage.
    »Man muss Verantwortung übernehmen«, sagte er und fuhr sich nervös über eine Schläfe und die Wange. »Manche begreifen das einfach nicht.«
    »Aber niemand hat sich enthalten?«, fragte Münster.
    »Ich habe bei meinen Urteilen niemals Vorbehalte akzeptiert«, sagte Heidelbluum. »Das Gericht muss sich einig sein. Vor allem bei Mordfällen.«
    Münster nickte. Eine ziemlich verständliche Ansicht, dachte er. Was würde das denn für einen Eindruck machen, wenn jemand mit dem Abstimmungsergebnis 3:2 zu zehn oder zwölf Jahren verurteilt würde? Das würde die Achtung der Leute für Gesetz und Recht nun wirklich nicht steigern.
    »Hat es jemals andere Verdächtige gegeben?«, fragte Münster.
    »Nein«, sagte Heidelbluum. »Das hätte die Sache natürlich verändert.«
    »Inwiefern?«, fragte Münster.
    Aber Heidelbluum schien diese Frage nicht gehört zu haben.
    Oder er ignoriert sie ganz einfach, weil er sie nicht hören will, dachte Münster. Er beschloss, den alten Richter noch etwas stärker unter Druck zu setzen. Vermutlich sollte er
schmieden, ehe das Eisen gänzlich kalt geworden war. Noch viel länger konnte er dieses Fragespiel jedenfalls nicht fortführen.
    »Aber wie dem auch sei«, sagte er. »Sie halten es also nicht für unmöglich, dass Verhaven doch unschuldig war?«
    Wieder wurde es still. Dann seufzte Heidelbluum tief, und als er dann antwortete, klang es für Münster so, als habe er das schon vorformuliert... vielleicht schon vor langer Zeit, lange, ehe überhaupt von einem Besuch durch die Polizei die Rede gewesen war. Wie eine Erklärung, eine letzte, wohlüberlegte Stellungnahme im Fall Leopold Verhaven.
    »Ich hielt ihn für einen Mörder«, sagte er. »Wenn es keine deutlichen Beweise gibt, muss man sich entscheiden. Das gehört zu diesem Amt. Ich halte Verhaven noch immer für schuldig. An beiden Morden. Es wäre jedoch nicht richtig zu behaupten, ich sei mir da sicher. Es ist so lange her, und ich stehe dem Tod so nahe, dass ich es wage, es so auszudrücken. Ich weiß nicht... ich weiß nicht, ob es wirklich Leopold Verhaven war, der Beatrice Holden und Marlene Nitsch umgebracht hat. Aber ich glaube, dass er es war.«
    Er legte eine kurze Pause ein und nahm den Zigarillostumpf aus dem Porphyraschenbecher. Schaute auf und sah wieder aus der offenen Tür.
    »Und ich hoffe, dass er es war. Denn wenn nicht, dann hat er ein Vierteljahrhundert lang unschuldig im Gefängnis gesessen ... und ein Doppelmörder läuft frei herum.«
    Aus den letzten Worten sprach eine tiefe Müdigkeit, doch Münster wagte noch eine letzte Frage:
    »Sie gehen also davon aus, dass wir es auf jeden Fall mit demselben Täter zu tun haben?«
    »Ja«, sagte Heidelbluum. »Da bin ich mir ziemlich sicher.«
    »In dem Fall«, stellte Münster fest, »möchte ich ja eher behaupten, dass es sich um einen Dreifachmörder handelt, nicht nur um einen Doppelmörder.«
    Doch Richter Heidelbluum schien das nicht mehr zu interessieren,
und Münster sah ein, dass er ihn jetzt in Ruhe

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