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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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vollzogen hatte, dann war die Umkehr nicht mehr leicht.
    Und die Rolle?
    War das hier das Problem? Dieser eigentümliche Umstand, auf den sich fast die gesamte Presse eingeschossen hatte. Dass Verhaven sich in seiner Rolle als Verdächtiger durchaus nicht unwohl gefühlt zu haben schien. Im Gegenteil. Dass er es offenbar genossen hatte, im vollen Licht der Öffentlichkeit auf der Anklagebank zu sitzen. Nicht, dass er überheblich oder arrogant gewirkt hatte, aber dennoch: etwas an seinem Verhalten war seltsam... ein einsamer und starker Schauspieler in der Rolle des tragischen Helden. So wurde er gesehen, und so wollte er gesehen werden.
    So ungefähr, zumindest.
    Ja, und hatte ihn nicht gerade dieser Umstand zu Fall gebracht?
    Wenn ich ihn damals nur gesehen hätte, dann wäre die
Sache jetzt klar, dachte Van Veeteren und leerte die Flasche.
     
    Von außen wirkte die Geschichte schlicht und unergründlich zugleich.
    Verhaven war am fraglichen Samstag nach Hause gekommen, gegen fünf, das hatten er und noch andere ausgesagt. Beatrice war ausgeflogen, und dabei blieb es. Aber nur Verhaven zufolge. Niemand hatte die beiden später an diesem Wochenende noch gesehen. Der Elektriker Moltke hatte sich am Samstag gegen ein Uhr von ihr verabschiedet, und Verhaven war am Sonntagabend um kurz nach sechs unten im Ort beobachtet worden. Das war alles. Dazwischen war alles leer.
    Reichlich Zeit. Für dies und jenes. Und das, obwohl der Gerichtsmediziner mit Bestimmtheit erklärt hatte, Beatrice sei ihrem Mörder irgendwann am Samstag oder Sonntag über den Weg gelaufen. Und erwürgt und vergewaltigt worden. Oder vermutlich eher umgekehrt? Vergewaltigt und erwürgt? Sie war nackt, es hatte ein Beischlaf stattgefunden, Spermaspuren waren jedoch nicht entdeckt worden.
    Aber wenn, dachte Van Veeteren, wenn jetzt ein anderer den Mord begangen hatte, dann stand fest, dass der Mord irgendwann während dieser Nachmittagsstunden geschehen sein musste – am Samstag so ungefähr zwischen eins und fünf. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem Moltke nach Hause gegangen war und dem von Verhavens Heimkehr.
    Oder auf jeden Fall war sie während dieser Zeit in den Wald gebracht worden.
    Unbestreitbar?
    Sicher, entschied er. Schaute verärgert die leere Flasche an und vertiefte sich in das Gerichtsprotokoll.
     
    Zweiter Tag. Staatsanwalt Hagendeck verhört den Angeklagten Leopold Verhaven.

    25. Mai. 10.30 morgens.
    H: Sie erklären sich für unschuldig, was die Anklage des Mordes an Ihrer Lebensgefährtin Beatrice Holden angeht. Ist das richtig?
    V: Ja.
    H: Können Sie uns ein wenig über Ihre Beziehung erzählen?
    V: Was möchten Sie denn wissen?
    H: Wo Sie einander kennen gelernt haben, zum Beispiel.
    V: Wir sind uns in Linzhuisen über den Weg gelaufen. Wir hatten früher dieselbe Schule besucht. Dann ist sie mit mir nach Hause gekommen.
    H: Schon beim ersten Mal? Sie sind sofort eine Beziehung eingegangen?
    V: Wir kannten uns doch schon. Sie brauchte einen Mann.
    H: Wann ist sie zu Ihnen gezogen?
    V: Eine Woche später.
    H: Und das war im ...
    V: November 1960.
    H: Und seither hat sie bei Ihnen gewohnt?
    V: Sicher.
    H: Die ganze Zeit?
    V: Ab und zu hat sie ihre Mutter und ihre Tochter besucht. Und wir haben einige Male in Ulming übernachtet. Aber sonst die ganze Zeit, ja.
    H: Waren Sie verlobt?
    V: Nein.
    H: Sie hatten nicht vor zu heiraten?
    V: Nein.
    H: Warum nicht?
    V: Wir waren nicht deshalb zusammen.
    H: Und warum waren Sie dann zusammen? /Verhavens Antwort gestrichen/
    H: Ich verstehe. Haben Sie sich gestritten?
    V: Bisweilen.
    H: Sind Sie dann hart aneinander geraten?

    V: Das konnte schon vorkommen.
    H: Ist es auch vorgekommen, dass Sie Beatrice geschlagen haben?
    V: Ja. Das gefiel ihr.
    H: Es gefiel ihr, von Ihnen geschlagen zu werden?
    V: Ja.
    H: Woher wissen Sie das? Hat sie das gesagt?
    V: Nein, aber ich weiß, dass es ihr gefallen hat.
    H: Wie wollen Sie das wissen, wenn sie doch nichts gesagt hat?
    V: Ich habe es gemerkt. Das sieht man ihnen an.
    H: Von wem reden Sie jetzt?
    V: Von Frauen.
    H: Hat sie Sie auch geschlagen?
    V: Sie hat es versucht, aber ich war stärker.
    H: Haben Sie beide viel Schnaps getrunken?
    V: Nein, nicht sehr viel.
    H: Aber es kam vor?
    V: Ja. Samstags haben wir ein bisschen gepichelt, weil ich sonntags nicht arbeiten musste.
    H: Nicht arbeiten? Brauchten Sie sich dann nicht um die Hühner zu kümmern?
    V: Das schon, aber ich brauchte nicht zum Eierverkaufen in die Stadt zu fahren.
    H: Ich verstehe.

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