Das falsche Urteil - Roman
ich Sie bitten, mich jetzt in Ruhe zu lassen?«
»Haben Sie an diesem Nachmittag nicht Beatrice Holden besucht? Während Verhaven geschäftlich unterwegs war?«
»Ich lasse mir diese Frechheiten nicht länger gefallen.«
»Wann hat das Liebesleben zwischen Ihnen und Ihrer Frau aufgehört?«
»Was, zum Teufel, hat das damit zu tun?«
»Sie mussten anderswo Befriedigung suchen, war das
nicht so? Seit ihre Frau bettlägerig war. Sicher gab es noch andere außer Beatrice Holden und Marlene Nietsch ... warum haben Sie gerade diese beiden umgebracht?«
Der Mann erhob sich.
»Oder haben Sie noch andere ermordet?«
»Verschwinden Sie! Wenn Sie glauben, Sie könnten mir Angst einjagen, dann sagen Sie Ihren Vorgesetzten, die Hoffnung könnten sie sich sparen.«
Münster klappte seinen Block zu.
»Danke«, sagte er. »Dieses Gespräch hat sehr vieles klären können.«
»Doch, er kann es durchaus gewesen sein«, erklärte Münster und nahm dem Kommissar gegenüber Platz.
Van Veeteren hob den Vorhang hoch.
»Nimm dich in Acht, wenn er aktiv wird«, sagte er. »Wir haben ja keine Ahnung, was ihm alles zuzutrauen ist.«
»Den kriegen wir nicht so leicht«, sagte Münster. »Das ist wohl nicht direkt der Typ, der zusammenbricht.«
»Ja verdammt«, sagte Van Veeteren. »Aber das war immerhin erst die erste Verwarnung, gewissermaßen.«
Münster wusste, dass der Kommissar ihn gerade mit diesem Hintergedanken als Stoßtrupp eingesetzt hatte. Um seine Kraft für einen wichtigeren, vielleicht entscheidenden und damit tödlichen Stoß aufzusparen.
Natürlich eine gute Idee, aber damit gaben sie dem Mörder auch eine Gelegenheit, seine Gegenwehr zu planen. Das erwähnte er auch, doch Van Veeteren zuckte nur mit den Schultern.
»Kann schon sein«, sagte er. »Aber gerade diese Vorbereitungen können ihn auch zu Fall bringen... und auf jeden Fall befindet er sich in keiner beneidenswerten Lage. Er weiß, dass wir etwas wissen. Überleg dir das doch mal, Polizeidirektor. Er steht jetzt wirklich mit dem Rücken zur Wand. Und wir sind die Katzen, die vor dem Loch auf ihn warten.«
»Wir haben keinen Beweis«, sagte Münster. »Und wir kriegen auch keinen.«
»Das weiß er nicht.«
Münster dachte nach.
»Aber das wird ihm bald aufgehen. Wenn wir wissen, dass er drei Morde auf dem Gewissen hat, dann ist es doch höchst seltsam, dass wir ihn nicht verhaften.«
Van Veeteren drückte gereizt seine Zigarette aus und ließ den Vorhang los.
»Weiß ich«, murmelte er. »Die haben mir den Darm rausgerupft, Münster. Nicht das Gehirn.«
Sie schwiegen. Van Veeteren seufzte und schob sich einen Zahnstocher in den Mund. Münster bestellte ein Bier und zog seinen Notizblock hervor.
»Du hast nur die Fragen gestellt, die ich dir aufgetragen hatte?«, fragte der Kommissar nach einer Weile.
»Sicher«, sagte Münster. »Aber eins wüsste ich gern.«
»Was denn?«
»Woher wusste er, dass sie Verhaven im Gefängnis alles gesagt hatte?«
Van Veeteren schnaubte.
»Sie hat es ihm natürlich gesagt. Kurz vor ihrem Tod, nehme ich an. Schwester Marianne sagt, dass er den letzten Tag bei ihr im Krankenhaus verbracht hat.«
»Sie hat ihr Gewissen also nach beiden Seiten hin erleichtert?«
»So kann man das sagen, ja. Wir könnten ja finden, sie hätte ganz und gar schweigen sollen. Damit hätte sie wenigstens ein Leben gerettet. Aber die Leute sind ja ein wenig auf die Wahrheit fixiert.«
»Wie das?«, fragte Münster.
Van Veeteren trank den Rest seines Biers.
»Die Wahrheit kann eine schwere Last sein«, sagte er. »Auf die Dauer ist es fast unmöglich, sie allein zu tragen. Es wäre nur schön, wenn die Leute endlich kapierten,
dass man diese Last nicht einfach nach Belieben abwerfen darf.«
Münster dachte eine Weile nach.
»So habe ich mir das noch nie überlegt«, sagte er und schaute aus dem Fenster. »Aber natürlich ist da etwas Wahres dran. Jedenfalls scheint er nicht in Panik geraten zu sein.«
»Nein«, seufzte Van Veeteren. »In diesem Fall müssen wir wohl zu ein wenig ausgefalleneren Methoden greifen. Aber fahr du nach Hause, ich bleibe noch hier und überlege mir die Sache.«
Münster zögerte.
»Der Kommissar lässt doch von sich hören, wenn ich etwas tun soll? Ich nehme an, dass die Ermittlungen weiterhin ruhen?««
»Und wie«, sagte Van Veeteren. »Auf jeden Fall vielen Dank.««
Münster verließ das Lokal, und als er die Straße überquerte, um zu seinem Auto zu gehen, tat der Kommissar ihm
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