Das Feenorakel
Alva. «Die Wahrheit ist, dass ich kein Vampir werden will.»
Aglaopheme lächelte zum ersten Mal beinahe fröhlich und die Ähnlichkeit zu ihrer Tochter wurde dabei noch deutlicher. «Das musst du auch nicht. Ihr seid beide zur Hälfte Sirenen, hast du von seinem Talent nichts bemerkt?»
Alva hatte eine ganze Menge bemerkt, aber nichts, worüber sie hier sprechen würde. «Er singt nicht. Oder halt ... doch er hat einmal gesungen!» Sie erinnerte sich an die Nacht in Berlin, als er sie am Klavier begleitet hatte, damit sie üben konnte, ihre Magie zu beherrschen. Aber mir ist nichts aufgefallen.»
«Eben! Weil ihr euch gegenseitig nicht versklaven könnt. Dann seid ihr auf jeden Fall Seelenpartner.»
«Na ja, ich weiß nicht. Julen behauptet, sobald ich singe, würde er mich am liebsten sofort ...» Als ihr klar wurde, dass sie gerade dabei war, Intimitäten auszuplaudern, hielt sie sich die Hand vor den Mund.
Die drei anderen lachten, doch Kieran wurde schnell wieder ernst. «Wir werden uns um diesen Oyt kümmern, das verspreche ich dir.» Mit einer fließenden Bewegung stand er auf. «Ich glaube, es wird Zeit, dass wir Julen hinzubitten.»
«Warte!» Aglaopheme stand auf. «Komm zu mir, Kind!»
Alva gehorchte wortlos.
Ihre Mutter legte ihr die linke Hand auf die Stirn und murmelte einige Worte.
Die Berührung war nicht unangenehm, aber Alva zitterte, denn sie ahnte, dass etwas sehr Wichtiges mit ihr geschah, als das Licht aus Aglas Hand in ihren Körper eindrang und sich wie die wohlige Wärme eines feurigen Getränks nach einem langen Spaziergang in der Winterkälte in ihrem Körper ausbreitete.
«Nimmst du dein Erbe an?»
Die leise gesprochenen Worte holten Alva in die Gegenwart zurück. «Ja!», sagte sie, bevor sie sich der Konsequenzen ihrer Antwort bewusst werden konnte. Das weiche Licht, das sie beide umgab, leuchtete noch einmal auf, danach verschwand es allmählich. Geblendet blinzelte Alva. Was war das?
Aglaopheme machte einen Schritt zurück und schwankte leicht. Ihre Hand flog zum Ohr. Sofort war Kieran bei ihr und stützte sie. Alva trat an die andere Seite ihrer Mutter. «Was hast du?»
Der sonst eher unhöfliche Kieran legte Agla den Umhang um die Schultern, der während der magischen Prozedur zu Boden geglitten war. «Ich bringe dich zurück.» Damit verschwanden beide, als hätte es sie niemals gegeben.
«Herzlichen Glückwunsch!» Nuriya strahlte. «Das war die richtige Entscheidung.»
«Oh, ja? Gut!» Erschöpft und verwirrt ließ sich Alva auf das Sofa fallen. «Was habe ich da eigentlich eben entschieden?» Sie nahm ihr das Champagner-Glas aus der Hand und leerte es in einem Zug.
«Du weißt es wirklich nicht, oder?» Nuriya schenkte schwungvoll nach, so dass der Champagner über den Rand des Glases perlte. «Oh, verdammt!» Schnell sprang sie auf und holte eine Serviette, mit der sie die kleine Lache vorsichtig auftupfte. «Sagen wir mal so, deine wahrscheinliche Lebensspanne hat sich deutlich vergrößert», erklärte sie nebenbei.
«Du meinst aber doch nicht, dass ich unsterblich bin?» Alva war nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte.
«Das würde ich nicht sagen.» Nuriya setzte sich wieder. «Jeder von uns kann getötet werden, aber wenn du ordentlich auf dich aufpasst, musst du dir keine Gedanken darüber machen, eines Tages alt und schrumpelig in den Armen deines Seelengefährten zu liegen. Es ist ein großes Geschenk, das die Feenkönigin selten jemandem außerhalb ihrer Welt gewährt.» Sie drückte Alva das feuchte Glas in die Hand. «Trink ruhig, das kannst du nach dem Schock sicher gebrauchen und dein Blut wird dadurch auch gleich leckerer.» Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, als freute sie sich bereits darauf, von ihr zu kosten.
Alva rutschte vorsichtshalber möglichst unauffällig bis an die äußerste Kante des Sofas zurück.»
«Das war ein Scherz!» Nuriya lachte vergnügt.
An die Späße von Vampiren werde ich mich vermutlich in Zukunft gewöhnen müssen.
«Besser ist es. Aber du hast ja jetzt eine Ewigkeit dafür Zeit.»
Kieran tauchte fast im selben Moment wieder auf. Er wirkte eindeutig wütend.
«Was fehlt ihr?», fragten sie ihn gleichzeitig. Von Nuriyas spielerischer Laune war jetzt nichts mehr zu spüren.
«Oyt hat behauptet, es wäre Aglas Schuld gewesen, dass sie nur Mädchen bekam. Für die erste Tochter hat er die Zunge herausgeschnitten. Als wieder ein Mädchen geboren wurde, hat er ihr zur Strafe glühende Eisen in
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