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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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würden sie nur noch winzige Holzsplitter sein, und sie hatten
nicht genug Grips, da herunterzukommen und davonzulaufen.
    »Das werdet ihr noch bereuen«, knurrte
er finster, als er an ihnen vorbeiging, den Wecker unter dem Arm.
    Wenn jemals einer am hellichten Tag in
einer Stadt unbemerkt drei Häuserblocks entlangging, dann war er es jetzt. Als
er schließlich an seinem Haus ankam, bog er in den kurzen, zementierten
Zugangsweg ein, zog dann die Fliegentür auf, steckte den Schlüssel in die
hölzerne Haustür und trat ein. Sie war nicht da, das war klar; das wußte er
genau, sonst wäre er nicht hergekommen.
    Er schloß die Tür hinter sich und ging
hinein in das blaue Dämmerlicht im Haus. So wirkte es zumindest im ersten Augenblick
nach dem grellen Licht der Sonne im Freien. Sie hatte an allen Fenstern die
grünen Rollos zu drei Vierteln heruntergezogen, damit es im Haus schön kühl
blieb, bis sie zurückkam. Er nahm nicht einmal den Hut ab, er hatte ja nicht
vor, lange zu bleiben. Und wenn er erst einmal den Wecker gestellt hatte, den
er mit sich herumtrug, würde er sich beeilen müssen. Es würde schon ein
seltsames, unheimliches Gefühl sein, die drei Häuserblocks entlang zurück zur
Bushaltestelle zu gehen, sich dort hinzustellen und auf den Bus zu warten, der
ihn wieder zu seinem Laden bringen sollte, und dabei die ganze Zeit daran zu
denken, daß zuhause in der Stille etwas tick-tack, tick-tack machte,
auch wenn es erst in ein paar Stunden passieren würde.
    Er ging direkt zur Kellertür. Es war
eine solide Tür aus massivem Holz. Er ging hindurch, zog sie hinter sich zu und
stieg die nackten Ziegelsteinstufen hinab. Im Winter mußte sie natürlich ab und
zu nach unten gehen, um die Ölheizung einzustellen, während er weg war, aber
nach dem 15. April kam außer ihm niemand mehr hier herunter, und der 15. April
war schon lange vorbei.
    Sie hatte im übrigen nicht einmal
bemerkt, daß er hier unten gewesen war. Er war jeden Abend ein paar Minuten
heruntergekommen, während sie in der Küche mit dem Abwasch beschäftigt gewesen
war, und wenn sie fertig war und ins Wohnzimmer kam, saß er schon wieder hinter
seiner Zeitung. Es dauerte nicht lange, den Inhalt des nächsten kleinen
Päckchens zu dem zu geben, was bereits in dem Kistchen war. Das Verdrahten
hatte mehr Zeit in Anspruch genommen, aber das hatte er an einem Abend
erledigt, als sie ins Kino gegangen war (hatte sie zumindest behauptet — und
dann kaum etwas von dem Film erzählt, den sie gesehen hatte, aber er hatte
nicht nachgebohrt).
    Über der Kellertreppe hing eine
Glühbirne, doch die brauchte man nur nachts; tagsüber drang durch eine Reihe
niedriger Fenster, die, von draußen gesehen, direkt über dem Boden lagen, sich
hier drinnen aber ganz oben unter der Kellerdecke befanden, Licht herein. Das
Glas mit eingewalztem Drahtgeflecht war so selten geputzt worden und deshalb so
verstaubt, daß man kaum hindurchsehen konnte.
    Die Kiste, die nun nicht mehr einfach
eine Kiste war, sondern eine Höllenmaschine, stand drüben an der Wand, neben
der Ölheizung. Jetzt, wo er bereits alles verdrahtet und die Batterien
eingelegt hatte, wagte er nicht mehr, sie zu verrücken. Er trat neben sie, ging
in die Hocke und legte liebevoll die Hand darauf. Er war stolz auf sein Werk,
stolzer als auf all die teuren Uhren, die er repariert
hatte. Eine Uhr war nur etwas Lebloses. Dies hier würde in ein paar Minuten zum
Leben erwachen, zwar auf teuflische Weise, aber es würde leben. Es war wie ein
Kind zu gebären.
    Er packte den Wecker aus und legte die
paar kleinen Werkzeuge, die er brauchte und aus dem Laden mitgebracht hatte,
vor sich auf den Boden. Zwei dünne Kupferdrähte ragten steif aus einem kleinen
Loch, das er in die Kiste gebohrt hatte, wirkten wachsam wie die Fühler eines
Insekts. Sie würden dem Tod Zutritt verschaffen.
    Er zog zuerst den Wecker auf, denn wenn
der erst einmal angeschlossen war, wurde das zu gefährlich. Mit sparsamen,
fachmännischen Bewegungen des Handgelenks zog er ihn auf, bis es nicht mehr
weiter ging. Er war schließlich nicht umsonst Uhrmacher. Es muß bedrohlich
geklungen haben dort drunten in dem stillen Keller, das krick-kraaack, krick-kraaack, dieses vertraute Geräusch, das man mit Zu-Bett-Gehen, Frieden, Schlaf und
Sicherheit verbindet; das diesmal aber bevorstehende Vernichtung bedeutete. So
hätte es für jemand anders geklungen, der es gehört hätte. Aber außer ihm war
niemand da. Und in seinen Ohren klang es nicht

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