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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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selbst anging, woher er den hatte, war seine Sache. Niemand würde
je herausfinden, woher der stammte. Das war das Gute daran, wenn man sich mit so
kleinen Mengen begnügte. Es würde niemandem auffallen, daß etwas fehlte. Sie
fragte ihn nicht, was in diesen kleinen Päckchen war, weil sie sie gar nicht zu
Gesicht bekam, er hatte sie immer in der Jackentasche. (Und natürlich rauchte
er auf dem Heimweg nicht.) Aber selbst, wenn sie sie gesehen hätte, hätte sie
ihm wahrscheinlich keine Fragen gestellt. Sie war keine von diesen neugierigen
Frauen, die immer alles wissen müssen, sie hätte es vielleicht für Uhrenteile
gehalten, die er mit nach Hause brachte, um sie abends zu reparieren, oder
etwas Ähnliches. Und zudem war sie in diesen Tagen, weil sie ihm ihren Besucher
verheimlichte, selbst so nervös und durcheinander, daß er wahrscheinlich mit
einer Standuhr unter dem Arm hätte nach Hause kommen können, ohne daß es ihr
aufgefallen wäre.
    Nun, das war ihr Pech. Unter ihren
Füßen, die im Erdgeschoß geschäftig hin und her eilten, spann der Tod sein
Netz. Er würde in seinem Laden an Uhren herumbasteln, wenn das Telefon läutete.
»Mr. Stapp, eben ist Ihr Haus in die Luft geflogen !«
    Eine leichte Gehirnerschütterung
vereinfacht manches auf so wunderbare Weise.
    Er wußte, daß sie nicht vorhatte, mit
diesem Unbekannten davonzulaufen, und anfangs hatte er sich gefragt, warum
nicht. Mittlerweile aber glaubte er, eine befriedigende Antwort auf diese Frage
gefunden zu haben. Der Grund war, daß er, Stapp, arbeitete, der andere hingegen
offenbar nicht, der würde nicht für sie sorgen können, wenn sie ihn verließ.
Das mußte es sein, woran konnte es sonst liegen? Sie wollte alles auf einmal
haben.
    Er war also lediglich dazu da, ihr ein
Dach über dem Kopf zu bieten? Na, er würde dieses Dach in die Luft jagen,
himmelhoch, in tausend Stücke zerfetzt!
    Im Grunde wollte er auch gar nicht, daß
sie weglief, das hätte diesem Etwas nicht gereicht, das ihm sagte: Töte, töte,
töte! Er wollte sie kriegen, alle beide, mit weniger würde er sich nicht
zufriedengeben. Lind wenn sie, sagen wir, ein fünfjähriges Kind gehabt hätten,
dann hätte er es in das Massaker eingeschlossen, obwohl ein Kind in dem Alter
natürlich nicht schuldig sein kann. Ein Arzt hätte gewußt, welche Schlüsse
daraus zu ziehen waren, und hätte wohl eiligst einen Krankenwagen bestellt.
Doch leider sind Ärzte keine Gedankenleser, und den Menschen stehen ihre
Gedanken nicht auf die Stirn geschrieben.
    Vor zwei Tagen hatte er das letzte
kleine Päckchen mitgebracht. Das Seifenkistchen war jetzt zum Bersten voll. Das
hätte gereicht, um zwei Häuser in die Luft zu jagen, war genug, um alle Fenster
in weitem Umkreis zu zertrümmern — nur, da gab es kaum welche, ihr Haus stand
ziemlich allein. Und diese Tatsache gab ihm das paradoxe Gefühl, er handle
edel, vollbringe eine gute Tat; er zerstörte zwar sein Eigentum, gefährdete
aber nicht den Besitz anderer Leute. Die Drähte waren angeklemmt, die Batterien,
die den notwendigen Zündfunken liefern würden, waren angeschlossen. Jetzt
brauchte er nur noch die Zeit einzustellen, den Kontakt zu schließen und
dann...
    Töte, töte, töte, hetzte die Stimme in
ihm.
    Heute sollte es passieren.
    Er hatte den ganzen Vormittag nichts
anderes getan, als an dem Wecker zu basteln. Es war ein billiges Ding, aber er
hatte mehr Sorgfalt darauf verwandt als auf manche Taschenuhr mit Schweizer
Uhrwerk und manche mit Platin und Diamanten besetzte Armbanduhr. Er nahm den
Wecker auseinander, reinigte und ölte alle Teile, überprüfte das Werk und
setzte schließlich alles wieder zusammen, um auch die winzigste Möglichkeit,
daß er ihn im Stich ließ, nicht mehr mitspielte, plötzlich stehenblieb oder
sich verklemmte, auszuschließen. Es hatte schon etwas Gutes, wenn man sein
eigener Chef war, in seinem eigenen Laden arbeitete, da gab es keinen
Vorgesetzten, der einem sagte, was man zu tun und zu lassen hatte. Er
beschäftigte auch keinen Angestellten oder Lehrling, der diese ungewöhnliche Aufmerksamkeit
für einen gewöhnlichen Wecker bemerken und später jemandem davon hätte erzählen
können.
    Normalerweise kam er um fünf Uhr von
der Arbeit nach Hause. Der seltsame Besucher, der Eindringling, mußte immer von
halb drei, drei bis kurz vor dem Zeitpunkt, an dem sie ihn zurückerwartete, da
sein. An einem Nachmittag hatte es um Viertel vor drei zu nieseln begonnen, und
als er mehr als zwei Stunden

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