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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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wissen, tatsächlich begangen haben,
nämlich den an diesem Tim McRae, dann kann ich schon dafür sorgen, daß Sie so
lange aus dem Verkehr gezogen werden, bis Ihnen die Lust am Töten vergangen
ist.
    Schon verrückt. Da hat Ihnen das
Schicksal einen ganz schönen Streich gespielt. Unser Taxi wartet .«

Drei Uhr nachmittags
     
     
    Sie hatte ihr eigenes Todesurteil
unterzeichnet. Er sagte sich immer wieder, daß ihn keine Schuld traf; sie hatte
es selbst herbeigeführt. Er hatte den Mann nie gesehen. Doch er wußte, daß es
ihn gab. Er wußte es jetzt schon seit sechs Wochen. An Kleinigkeiten hatte er
es gemerkt. Einmal war er nach Hause gekommen, und da lag ein Zigarrenstummel
im Aschenbecher, das eine Ende noch feucht, das andere noch warm. Benzintropfen
auf dem Asphalt vor ihrem Haus, und sie besaßen kein Auto. Ein Lieferwagen
konnte es nicht gewesen sein, an den Tropfen sah man, daß das Auto eine ganze
Zeit da gestanden hatte, eine Stunde oder noch länger. Und einmal hatte er es
sogar ganz kurz gesehen, wie es um eine Ecke verschwand, als er drei
Häuserblocks vor ihrem Haus aus dem Bus stieg — ein alter Ford. Sie war oft
reichlich nervös, wenn er nach Hause kam, schien gar nicht recht zu wissen, was
sie tat oder sagte.
    Er verhielt sich, als sehe er das alles
überhaupt nicht; er, Stapp, gehörte nicht zu der Sorte von Menschen, die ihren
Haß oder Groll herauslassen und denen es danach besser geht. Er hegte und
pflegte sie in seinem tiefsten Innern. Solche Menschen sind gefährlich.
    Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich
gewesen wäre, hätte er sich eingestehen müssen, daß dieser unbekannte Besucher
am Nachmittag nur ein Vorwand war, daß er schon lange, ehe es einen Grund gab,
mit dem Gedanken gespielt hatte, sie sich vom Hals zu schaffen, daß da schon
seit Jahren etwas tief in seinem Innern saß und ihn drängte: Töte, töte, töte!
Vielleicht schon seit damals, als er mit einer Gehirnerschütterung im
Krankenhaus gelegen hatte.
    Er hatte keines der üblichen Motive.
Sie besaß kein eigenes Vermögen, er hatte keine Lebensversicherung für sie
abgeschlossen, er würde keinen materiellen Vorteil davon haben, daß er sich
ihrer entledigte. Es gab auch keine andere Frau in seinem Leben, die dann ihren
Platz einnehmen würde. Sie nörgelte nicht an ihm herum und war nicht
streitsüchtig. Sie war eine sanftmütige, fügsame Frau. Doch dieses Etwas in
seinem Gehirn flüsterte immerzu: Töte, töte, töte! Bis vor sechs Wochen hatte
er erfolgreich dagegen angekämpft, mehr aus Furcht und Selbsterhaltungstrieb
als wegen irgendwelcher Schuldgefühle. Die Entdeckung, daß ein Fremder sie
nachmittags besuchte, wenn er nicht zu Hause war, hatte bereits genügt, dieses
Etwas mit all seiner hydraköpfigen Wildheit von der Leine zu lassen. Und die
Vorstellung, daß er nun statt eines Menschen zwei töten würde, war ein
zusätzlicher Anreiz.
    Deshalb brachte er jetzt seit sechs
Wochen jeden Nachmittag, wenn er aus dem Geschäft nach Hause kam, irgend etwas
mit. Ganz kleine Sachen, die, für sich allein genommen, so unschuldig und
harmlos aussahen, daß niemand bei ihrem Anblick auf den Gedanken gekommen
wäre... Kurze Stücke dünner Kupferlitze, wie er sie manchmal zum Reparieren von
Uhren benötigte. Und jedes Mal ein ganz kleines Päckchen mit einer Substanz,
die... Nun, ein Sprengmeister hätte es wohl erkennen können, aber niemand
sonst. In jedem dieser kleinen Päckchen war gerade so viel, daß es beim Zünden
mit einem Fffft aufgeflammt wäre wie Blitzpulver. So locker verpackt konnte es
keinen Schaden anrichten, man würde sich schlimmstenfalls die Haut verbrennen,
wenn man nicht vorsichtig genug war. Aber so wie er das, was er in
sechsunddreißig Tagen herangeschafft hatte (sonntags hatte er nie etwas mit
nach Hause genommen), jetzt im Keller stehen hatte, zusammengepreßt in kleinen
Kammern in einem ehemaligen Seifenkistchen, komprimiert bis zum
Geht-nicht-mehr, sah die Sache schon ganz anders aus. Sie würden es nie
herausbekommen. Von dem kleinen Häuschen würde nicht genug übrigbleiben, um
irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Sie würden auf Faulschlammgas tippen,
oder auf einen Methaneinschluß irgendwo unter ihrem Haus. So etwas Ähnliches
war vor zwei Jahren mal am anderen Ende der Stadt passiert, nur nicht ganz so
schlimm. Das hatte ihn auf diese Idee gebracht.
    Er hatte auch Batterien mit nach Hause
gebracht, ganz gewöhnliche Trockenbatterien. Immer nur zwei. Was den
Sprengstoff

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