Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
um es auszuschlachten und etwas anderes daraus zu bauen. Und hinter all dem Gerümpel, das hier vor sich hin staubte, führte ein weitgehend in Vergessenheit geratener Durchgang zu der alten Station, in der vor dreißig Jahren die ersten Wissenschaftler und Techniker auf dem Mars ausgeharrt hatten, während ihr Raumschiff zur Erde zurückgekehrt war. Hier war alles eng und alt, die Wände bestanden aus kaltem, geriffeltem Metall – was kein Wunder war, denn die Station bestand aus eingegrabenen ehemaligen Treibstofftanks –, aber es gab noch Luft, Strom und Wasser, und so hatten sie sich in dem ehemaligen Aufenthaltsraum ihr Geheimversteck eingerichtet.
»Und er hat gesagt, aus Kostengründen?«, fragte Ariana noch einmal.
»Ja«, nickte Carl.
Ariana schüttelte den Kopf, als könne sie dadurch das Gefühl der Benommenheit abschütteln. »Die sind verrückt! Was kosten wir die Erde denn? Wir versorgen uns doch selber.«
»Na ja«, zuckte Carl die Schultern, »es kommt jedes Jahr ein Schiff und fliegt wieder zurück. Das kostet – ich weiß nicht, wie viel, aber etliche Millionen werden es schon sein.«
»Na toll. Ich dachte, die Schiffe kommen hauptsächlich, um irgendwelche Erdlinge zu bringen oder zu holen. Leute wie Pigrato und seine Bande.«
Carl hob die Hände. »Wir haben nicht mehr gehört, nur diesen einen Satz. Im Rausgehen habe ich mich auf dem Tisch umgeschaut – und das war wirklich hart, glaub mir, so wie es gestunken hat –, aber Pigrato hat alles mitgenommen.«
»Die Marsforschung einstellen! Dabei gibt es noch nicht einmal eine vollständige Marskarte«, platzte Elinn heraus und verschränkte die Arme, als könne sie nur so verhindern, vor Wut zu platzen.
Da saßen sie und sahen sich an und konnten es nicht fassen. Arianas Blick wanderte unwillkürlich zu dem vergilbten Spielplan der Baseball-Saison 2055, der immer noch an der Wand hing seit damals und den sie hatten hängen lassen, weil er an die alten Zeiten erinnerte, die sie nur aus den Erzählungen der Erwachsenen kannten. Er hatte James Marshall gehört, einem Biologen, der später zusammen mit Carls und Elinns Vater auf einer Expedition ums Leben gekommen war.
»Du bist sicher, dass das nicht nur irgendein Unsinn war, den sie der MacGee erzählt haben?«, fragte Ariana. »Das will mir nicht in den Kopf. Die können doch nicht einfach die Marssiedlung auflösen!«
Sie diskutierten noch eine ganze Weile hin und her, aber sie kamen immer wieder an diesem Punkt an. Die Marssiedlung beenden? Unvorstellbar. Genauso gut hätte die Regierung beschließen können, die Schwerkraft für ungültig zu erklären oder die Dunkelheit bei Nacht. Einfach Unsinn. Es konnte nur Unsinn sein.
So wäre es noch den ganzen Tag im Kreis herumgegangen, wenn nicht plötzlich ihre Kommunikatoren gesummt hätten. Alle gleichzeitig, womit klar war, dass es nur AI-20 sein konnte. Für die Künstliche Intelligenz war es natürlich kein Problem, mit jedem von ihnen zur gleichen Zeit zu sprechen.
Mittag war vorbei, und AI-20 mahnte die üblichen Pflichten an, die sie in der Aufregung vergessen hatten. Die Krankenstation wartete auf Arianas Sauberkräfte, Ronny hatte einen Außeneinsatz in einem der Marsrover, Carl war zum Beschneiden der Obstbäume eingeteilt und Elinn zum Fischefüttern. Niemand von ihnen protestierte. Sie waren es von klein an gewöhnt, dass jeder mitarbeiten musste, so gut er konnte.
»Außerdem bist du im Rückstand mit dem Unterrichtsprogramm«, warf AI-20 jedem von ihnen vor. »Wo befindest du dich übrigens? Ich kann dich nicht lokalisieren.«
Auf diese Frage durfte man nicht antworten. Die Lokalisierung funktionierte überall in der Siedlung und in einem Umkreis von mehreren Kilometern darum herum – aber nicht in der alten Station. Wahrscheinlich, weil die metallenen Hüllen der alten Treibstofftanks die Funkwellen so zerstreuten, dass es unmöglich war, ihre Kommunikatoren anzupeilen.
»Ich bin schon unterwegs!«, rief Carl und schaltete ab.
»Ich komme«, sagte Ariana und schaltete ebenfalls ab.
»Alles klar!«, rief Ronny.
Elinn sagte nichts, sondern drückte einfach auf den Ausknopf ihres Geräts.
»Können wir nicht jemanden fragen?«, schlug Ronny vor.
»Und wen?« Carl schüttelte den Kopf. »Wenn wir jemanden fragen, wird er wissen wollen, wie wir davon erfahren haben, und ich habe keine Ahnung, was wir darauf sagen könnten. Und solange uns da keine gute Begründung einfällt, müssen wir so tun, als wüssten wir von
Weitere Kostenlose Bücher