Das Fest Der Fliegen
nicht beurteilen könne, werde sich an seinem kriminalistischen, das allgemein anerkannt war, messen lassen müssen.
SWOBODA 1. Der Titel hatte eine gewisse Neugier erregt.
Zumal in Martinas Werbung betont wurde, dass es sich um
Gemälde eines Künstlers handelte, der ein »zweites Leben
als Kriminalhauptkommissar« gelebt hatte.
Swoboda war nicht einverstanden: »Die Kunst hat immer
eine bürgerliche Kehrseite. Das ist nichts, was man groß
rausstellen muss.«
»Fanfaren, Tamtam, Geklingel!«, beruhigte ihn Martina.
»Du bist der Magier. Ich lebe in der schnöden Welt des
Handels. Am Ende kauft wirklich einer. Dann wirst du mir
danken!«
»Auf Knien.«
Die Galeristin sah umwerfend aus. Das Prädikat stammte
von Georges Lecouteux, der es jedoch nicht ihr gegenüber
äußerte, sondern als geflüstertes Kompliment an Swoboda
richtete, als sei es dessen Verdienst, dass Martina in der Tat
auffiel. Sie trug die Haare offen und hatte ein langes, zinnoberrotes, dünnes Schlauchkleid gewählt, das ihren Körper
abbildete, dazu geknüpfte krapplackrote Stiefeletten, die sie
in Edinburgh erworben hatte. Um ihren Hals glänzte eine
dünne Goldkette mit einem im Ausschnitt baumelnden
Kreuz aus tiefroten, violett schimmernden Granatsteinen.
Swoboda hatte die Verbindung der verschiedenen Rottöne hart kommentiert: »Ich bin ja fast alle deine Rots
gewohnt, aber dieses Potpourri ist wirklich grauenhaft.
Allenfalls eine nette Verneigung vor Leuten mit schlechtem
Geschmack.« Das Kreuz, das sie im Nachlass ihrer Großmutter Klara gefunden hatte, betonte das tiefe Dekolleté
auf fast lästerliche Weise.
Swoboda, der anbot, zur Feier der Vernissage nicht nur einen seiner üblichen Cordanzüge, den schwarzen, anzuziehen, sondern auch eine seiner fünf Krawatten umzubinden, wurde von Martina darauf hingewiesen, dass er an diesem Abend als Bohemien auftreten müsse, folglich in einem schwarzen Pullover mit Rundausschnitt, Jeans und Turnschuhen. Er fand das provinziell, worauf sie erwiderte: »Wir sind in der Provinz.« Und nach einer Pause mit gespielter Mädchenstimme: »Bitte.« Er gab zu bedenken, ob sie nicht beide, um in der Provinz wirklich erfolgreich zu sein, nackt auftreten sollten, doch sie hatte das Schlafzimmer schon verlassen und lief die Treppe hinunter, um das Buffet zu kontrollieren, das vom Hotel Korn bereitgestellt wurde.
Sie begrüßte im Eingang der Galerie jeden Gast mit Handschlag und einem gewinnenden Lächeln. Trotz des Gerüchts, hier würden unerträgliche Mordszenen ausgestellt, ließen die Honoratioren der Stadt und alle, die sich dafür hielten, es sich nicht nehmen, der Einladung Folge zu leisten. Als Erster, punkt zwanzig Uhr, traf Leicester Burton im weißen Dinnerjacket ein. Dann Bürgermeister Ehrlicher und seine füllige, immer etwas abwesend wirkende Gattin, mit ihnen die neunundzwanzigjährige Kulturbeauftragte des Stadtrats, die im Hauptberuf Physiotherapeutin war, dazu Lehrer und Lehrerinnen, zwei wenig beschäftigte, selbstbewusste Fernsehstatisten und ein schon lange pensionierter Direktor des Eichendorff-Gymnasiums, der im Abiturjahrgang von Alexander Swoboda, Philipp Teichmann und Klaus Leybundgut Referendar für Latein und Griechisch gewesen war. Die ehemaligen Schüler begrüßten den Greis und boten ihm einen bequemen Stuhl an, den er im Verlauf des Abends nur verließ, um zur Toilette zu gehen. Er genoss es, bedient zu werden, hatte an den Bildern jedoch keinerlei Interesse. Manche Gäste erwarteten gemalte Verbrechen, andere hofften, den einstigen Kommissar als Amateur der Lächerlichkeit preisgegeben zu sehen. In der Erwartung, ein Kunsterlebnis zu genießen, kam nur Polizeirat Klantzammer. Philipp Teichmann, der mit zwei Gedichtbänden im Selbstverlag hervorgetreten war, hatte vergeblich versucht, von der Kopfblattzeitung in der Kreisstadt den Auftrag für eine Kunstkritik der Ausstellung SWOBODA 1 zu erhalten. Stattdessen hatte man Busso Maier geschickt, einen pensionierten Studienrat und humorlosen Verreißer, der sich in jeder Sparte Kunst für kompetent hielt, sich an Autoren, Malern und Filmemachern dafür rächte, dass aus ihm selbst ein Beamter geworden war, und für seine Rache das Feuilleton missbrauchte. Was er schreiben würde, ließ sich voraussehen. Eine erschreckend bleiche, kindlich wirkende Journalistin vom Rundfunk hielt ihr Mikrofon jedem vors Gesicht, der irgendwie gesprächsbereit aussah. Der lokale Fernsehsender war mit einer nervösen Truppe vor Ort, Chefredakteur
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