Das Fest Der Fliegen
Kavalla telefoniert. Der griechische Zeuge lebte. Carafa war tot. Domingo bezichtigte seinen Abt Petrus Venerandus, er habe ihn in eine Falle gelockt, er habe Carafa auf ihn angesetzt, er schrie, er schwor Rache und verfluchte ihn. Burton hatte sofort die Gefahr erkannt, in der sich Domingo befand und mit ihm die Engelslegion. Er zwang sich, ruhig zu sprechen. »Niemand hat irgendwen auf dich angesetzt. Carafa sollte dir helfen, nach der Hinrichtung des Griechen zu fliehen. Wir wollten dich unterstützen, wie wir uns immer gegenseitig unterstützen. Das weißt du doch, Bruder Domingo! Wir gehören alle zur Armee der Heiligen Jungfrau! Das darfst du nie vergessen, Vincent. Wo bist du jetzt?« »Ich habe mich in der Nacht an der Küste in einem Laster versteckt. Er ist noch im Dunkeln zu einem anderen Hafen gefahren und dann auf eine Fähre. Die Polizei war auf dem Schiff, aber sie haben nur die Leute kontrolliert, nicht die Ladung. Jetzt bin ich in Kavalla. Ich weiß nicht, wo ich bleiben kann, bestimmt suchen sie mich. Und dieser Typ aus Edinburgh kann mich beschreiben. Wieso begegne ich dem immer wieder? Wer ist das, Petrus Venerandus?!« »Wie soll ich wissen, wer das ist?« Burton unterdrückte seinen Zorn auf Domingo. »Hast du Geld?« »Ja, genug, aber ich kann nicht zurückfliegen. Heute noch kriegen sie meine Buchungen und den Mietvertrag für das Auto raus. Dann kennen sie meinen Namen. Ich kann nirgendwo hin, Petrus Venerandus! Ich bin am Ende! Gibt es irgendwo Brüder von uns, die mir helfen können?« »In ganz Griechenland nicht«, sagte Burton. »Es tut mir leid, du musst es allein schaffen, du hast es ja damals nach Spanien auch allein geschafft, obwohl du dort Brüder hättest finden können.« »Aber damals wusste keiner, wer ich bin!« Burton hörte die Not in seiner Stimme. »Niemand wird dir etwas tun. Maria Immaculata ist an deiner Seite. Vertraue auf sie.« »Und wenn sie mich nicht mehr beschützt? Wenn sie mich preisgibt, weil ich versagt habe?« »Der Zweifel ist dein Feind«, sagte Burton, »lass diese Schlange niemals in dein Herz. Wer außer diesem Mann aus Edinburgh kann dich erkennen?« »Der Maler. Der hat mich kurz gesehen. Und die Autoverleiherin auf der Insel. Aber keiner kennt mich so gut wie dieser Mann. Und es war noch ein anderer mit ihm bei dem Maler. Der ist jünger. Er hat mich, glaube ich, nicht gesehen.« »Gut. Ruh dich aus. Geh etwas essen, kauf dir neue Sachen zum Anziehen, lass dir die Hare kurz schneiden, hast du mich verstanden? Du musst dich retten. Mit niemandem sprechen. Und hierher zurückkommen. Wie du schon einmal zurückgekommen bist. Du weißt doch, warum dir das damals gelungen ist? »Was meinst du?«, fragte Domingo leise. Burton machte eine Pause. Er hörte Domingos gehetzten Atem im Telefon. »Weil der Erzengel Michael auf unserer Seite kämpft. Er lässt keinen seiner Kämpfer im Stich. Keinen einzigen. Obwohl du versagt hast. Bete mir nach: Auf die Fürbitte des heiligen Erzengels Michael – « »Ich kann nicht! Ich kann nicht beten! Ich habe es schon versucht, ich kann nicht!« Burtons Stimme wurde schneidend. »Ich befehle dir zu beten! Deus! In adiutorium meum intende! Domine! Ad adiuvandum me festina! Auf die Fürbitte des heiligen Erzengels Michael möge der Herr unsere Seelen gegen die Nachstellungen des bösen Feindes beschützen und uns mit aufrichtigem Gehorsam erfüllen! Amen.« Während er Petrus Venerandus zuhörte, der laut den Michaelsrosenkranz vorbetete, begann Domingo zu schluchzen. Nicht einmal Amen konnte er sagen. Er flüsterte nur immer wieder: »Ich kann nicht, ich kann nicht mehr beten, ich bin verloren!« Burton schwieg. Dann sagte er leise: »Absolvo te. Heiliger Erzengel Michael, du Fahnenträger der heiligsten Dreifaltigkeit, mit deinem Licht erleuchte uns! Mit deinen Flügeln beschütze uns! Mit deinem Schwert verteidige und rette uns! Amen.« »Bete für mich«, antwortete Domingo. »Niemand fällt aus Gottes Hand. Heilige Maria, Königin der Engel, bitte für uns. Vertraue auf mich! Nimm die Batterie und die Karte aus deinem Telefon und wirf sie irgendwo in den Müll. Das Telefon wirf ins Wasser. Besorg dir ein neues. Prepaid. Dann meldest du dich wieder bei mir. Hast du verstanden, Vincent? Du musst mir vertrauen!« Domingo hatte sein Telefon ausgeschaltet, ohne zu antworten. Er schleuderte es in hohem Bogen ins Hafenbecken hinaus. Burton war in seinem Arbeitszimmer allein. Er sah, wie Luzifer seine Armee aus Teufeln um das
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