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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Seite. Er band seine Lederschürze ab und warf sie nach hinten zu den Kisten mit Farben und Gläsern voller Pinseln. Törring schaute skeptisch in die rote Soße, die den Kessel füllte und nur noch einzelne dicke Blasen warf.
    So erblickte Domingo die drei Männer. Er hatte sich auf die Veranda geschlichen und durch das kleine Seitenfenster neben dem Eingang vergewissern wollen, dass der Maler zu Hause war. Er meinte, den Griechen an seinem Aussehen zu erkennen. Den anderen jüngeren Mann kannte er nicht. Doch dann fiel sein Blick auf Swoboda, der sich gerade seinen Malerkittel auszog. Fast hätte er aufgeschrien. Es konnte nicht sein, doch er sah das Gesicht. Das Gesicht des Mannes, der ihm in Edinburgh drei Mal begegnet war. Der ihm keine CD mit Monk Rock abgekauft hatte. Der ihn als Hare-Krishna-Jünger gesehen hatte. Der ihm plötzlich gegenübergestanden hatte in jenem Labyrinth, in dessen Tiefe die Webstühle arbeiteten. Der ihm gesagt hatte: »Bleib stehen. Please.« Vor dem er nach unten geflohen war. Dem er entkommen war. Schlagartig war Edinburgh Bild für Bild wieder lebendig. Und wieder hörte er die Webstühle, ihr quälendes metallisches Rasseln und Schürfen, das ihn in den Nächten in Spanien nicht hatte schlafen lassen. Sein Herz schlug schnell und hart wie ein Knochen innen gegen seine Brust. Wie konnte sein Verfolger, der damals aus der Camera Obscura gekommen war, wissen, dass er hier war? Was wusste er noch? Domingo schlich die Stufen hinunter, stellte sich unter die Treppe und presste den Rücken gegen die Mauer. Er tastete nach dem Langdolch, mit dem er die linke Innentasche seines Jacketts nach unten durchstoßen hatte, um die Waffe ganz im Futter verbergen zu können. Es gelang ihm nicht, den irren Wirbel seiner Gedanken zu beruhigen und zu ordnen. Jetzt waren über ihm Schritte auf der Treppe.
    Lavrakis hatte vorgeschlagen, dass Törring und Swoboda in die Taverne vorausgehen sollten, er werde gleich kommen, sich nur noch die Hände waschen. Törring war einverstanden, er hatte Hunger und Durst. Swoboda ließ seinen Blick durch den Raum gleiten, prüfte Winkel und Ecken, kontrollierte die angrenzenden Räume, verließ dann mit Törring das Haus. Eben war die Sonne untergegangen, ihre letzten Strahlen verwandelten die Wolkenfasern über dem Berg in brennende Federn. Im Westen wuchsen ultramarinfarbene Gewitterwolken aus dem Horizont und quollen auf den Berg zu. Auf dem Granitboden des Dorfes lag schon Dämmerung. Als die Männer vorüber waren, löste Domingo sich von der Wand. Er sah, dass Licht aus der Tavernentür fiel und wieder verlosch. In der Ferne rollte leiser Donner. Wieder stieg er die Treppe zur Veranda hinauf. Er zog den Dolch aus dem Futter seines Jacketts und trat in das weiße Licht. Lavrakis sah ihm direkt ins Gesicht. Er sah, wie der Fremde mit der linken Hand das Kreuzzeichen machte, als ob er ihn segnen wollte. An diesem Zeichen erkannte er, wer in seine Küche eingedrungen war. Genau so hatte der Mörder in Edinburgh sein Opfer vor dem Mord gesegnet. Dann sah er das lange Messer. Mit einer Behändigkeit, die Domingo nicht erwartet hatte, zog Lavrakis die Löffelkelle aus dem Bottich und schleuderte die heiße Farbe Domingo ins Gesicht. Draußen zuckten die ersten Blitze. Domingo schrie auf, ein heller, scharfer Donnerschlag übertönte seinen Schrei. Blind stach er mit dem Dolch in die Luft. Lavrakis schöpfte mit der Leinölkanne Farbe aus dem Kessel und schwappte den Inhalt auf Domingo. Der hatte sich schon zur Flucht gewandt und stürzte aus der Tür auf die Veranda hinaus ins Dunkel. In dichter Folge erhellten Blitze die Nacht und ließen das Gestein der Dorfstraße aufleuchten. Donnerschläge krachten und rollten übereinander. Plötzlich rauschte Regen herab. Domingo stolperte die Treppe hinunter. Er rieb sich die Augen frei, fühlte den brennenden Schmerz im Gesicht, sah unter dem fahlen Feuer des Gewitters die Dorfstraße und rannte, den Dolch noch immer umklammernd, zur Kapelle hinüber, wandte sich aber, als ob er den Gottesort scheute, nach links zum Beinhaus, hielt erst auf der Rückseite an und lehnte sich an die Mauer. Er keuchte und hob sein Gesicht in den Regen. Das Gewitter war nicht nur über dem Berg, es knallte in seinem Kopf, ein pressender Schmerz breitete sich in seiner Brust aus. »Du hast es noch nicht getan!« Die Stimme hinter ihm kam aus Nacht und Regen. Es war die Stimme des Teufels. Domingo zuckte zusammen, Angst führte seine Hand, er

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