Das Fest der Köpfe
wiederum traute ich mich nicht. So tastete ich mich in der Dunkelheit weiter. Meine Nackenhaare hatten sich gesträubt. Vom Magen her quälte mich ein Druck. Ich dachte daran, daß Zombies auch zu riechen waren. Sie umwehte der typische Grab-und Modergestank, der es im Prinzip leicht machte, ihren Spuren zu folgen. Den Geruch merkte ich nicht. Es stank nach Öl, nach Auto und nach Gummi. An einer Wand hingen einige Werkzeuge, Spaten und Schaufeln, darüber farbige Helme.
Ich schlich an der rechten Seite des Wagens entlang. Irgendwo vor mir knackte etwas. Hinter mir hörte ich Angela atmen. Obwohl sie sich Mühe gab, konnte sie ihre Aufregung nicht verbergen.
Nur mehr wenige Schritte, dann hatte ich die Fahrertür erreicht. Vor mir sah ich die Haube.
Und ich erlebte eine grelle Explosion, als mich der Lichtstrahl einer starken Taschenlampe mitten im Gesicht erwischt. Für einen Moment war ich hilflos. Ich griff zur Beretta, als eine Stimme hinter dem Licht die Drohung aussprach:
»Laß es lieber!«
Meine rechte Hand rutschte ab. Ich wußte, daß Stepanic gesprochen hatte, dann lachte er, und in sein Lachen hinein hörte ich hinter mir den würgenden Laut. Einen Schrei nach Hilfe, der brutal abgeschnitten wurde, dann nur mehr ein Röcheln war.
Angela!
Ich wollte mich drehen. Es war mir jetzt alles egal. Da traf mich der Knüppel oder was immer es gewesen sein mochte. Er erwischte meinen Nacken und machte meine Knie weich.
Im Zeitlupentempo fiel ich nach vorn. Das grelle Licht tanzte vor meinen Augen, ohne daß die Blendung nachließ. Ich hörte Schritte und die triumphierend klingende Stimme des Arztes.
»Jetzt haben wir sie beide. Besser hätte es nicht kommen können…«
***
Auch Angela hatte das Licht gesehen. Sie wollte schreien, aber da war der verfluchte Arm. Aus dem Dunkel hinter ihr war er gekommen und umklammerte ihren Hals. Der Schrei erstickte zu einem Röcheln. Für einen Moment flutete die Panik in ihr hoch, daß ihr der harte Griff das Genick brechen könnte, dann hörte sie Jeromes Stimme dicht an ihrem Ohr, die flüsterte: »Rühr dich nicht, kleine Krankenschwester. Wage es nicht…«
Sie wollte nicken, als sie die zweite Gestalt sah. Auch sie erschien aus der Dunkelheit.
Hutch war es nicht. Ein Arm bewegte sich langsam nach oben und wieder nach unten.
Dann klatschte etwas in Sinclairs Nacken. Der Mann sackte zu Boden. Angela schaute in das sich bewegende Licht, das für einen kurzen Augenblick zur Seite huschte und ein erneutes Ziel aus der Schwärze hervorriß.
Ein bleiches Totengesicht mit gelblicher Haut und wirren Haaren. Das Gesicht des Nolan Quint!
Es war wie ein Spuk gekommen und wie ein Spuk verschwunden. Aber Angela wußte nun, was ihr bevorstand. Sie war eine Lebende, und die Toten in dieser Nacht waren erschienen, um ihre starre Körper an denen der Lebenden zu wärmen.
Sie würde die lebendige Wärmflasche sein.
Noch immer hielt Jerome sie in seinem Griff. Er zerrte sie zurück. Durch die Schräglage schleiften ihre Hacken über den rauhen Betonboden. Sie blieb nicht in der Nähe des Fahrzeugs, sondern wurde in eine der dunklen Ecken geschafft. Die Halle war leider groß genug, und finstere Stellen gab es genug.
Der Zombie tauchte nicht wieder auf. Doch Angela wußte, daß er sich noch in der Nähe befand. Sie hörte nicht nur die Schritte des Pflegers, auch die der lebenden Leiche waren zu erkennen, denn sie ging anders. Tapsig, als wäre sie dabei, das Laufen erst noch zu lernen. Jerome kam ihr vor wie ein Raubtier, das seine Beute nie mehr loslassen wollte. Dann schleuderte er sie weg.
Sie schrie auf, als sie gegen eine Wand krachte und sich dort die Schulter prellte.
»Keinen Schritt weiter!« flüsterte Jerome. »Bleib nur stehen. Es läuft alles nach Plan.«
»Verflucht, was willst du?«
»Ich nichts — er!«
Angela wußte, wer damit gemeint war, gab keinen Kommentar ab und preßte die Lippen zusammen. Aber ER kam.
Er schlich durch die Dunkelheit. Sie konnte sich vorstellen, mit welch ungehobelten Bewegungen er dies tat. Eine widerliche Masse Fleisch, ohne Seele, ohne Gefühle und nur darauf versessen, die Lebenden umzubringen, um sie einreihen zu können in das von ihnen erschaffene Grauen. Es war einfach furchtbar.
Dann stoppten die Schritte. Vor ihr bewegte sich Jerome. Sie ahnte mehr, daß er sich bückte. Von unten her erreichte sie die Stimme des Mannes. »Heute ist Samhain, kleine Schwester, das weißt du doch. Das Fest der Köpfe, das Fest der
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