Das Fest der Pferde
er bereits eine kleine Herde, die auf dem Außenreitplatz gehorsam ihre Runden drehte. Dort war er in Sicherheit, und es würde ganz bestimmt nicht langweilig werden.
Herr Bödeke gab gerade seinen Freitagmorgen-Anfängerkurs. Sechs Damen mit zum Teil beträchtlichem Umfang mühten sich schwitzend, den Anweisungen ihres Reitlehrers nachzukommen.
„Und jetzt nehmen wir einmal die Steigbügel hoch“, kommandierte Herr Bödeke , „und wollen den Trab schön aussitzen. Einmal Wechsel durch die ganze Bahn und an der nächsten kurzen Seite antraben. Treiben, immer schön treiben, Frau Giesing, lassen Sie Ihr Pferd nicht einschlafen! Abstand halten, Frau Walter, und ruhig sitzen... ruhig! Nicht wie ein Zementsack bei jedem Schritt in den Sattel fallen! Lang die Beine, Frau Süß, machen Sie die Beine ganz lang ... ja, so ist es schon besser ... und Frau Brause ... Kopf hoch! Und gerade sitzen, nicht wie ein eingelaufenes Fragezeichen im Sattel hängen! Treiben, Frau Ludwig, treiben Sie ihn doch mal an! Der läuft Ihnen schon nicht weg!“
In diesem Augenblick betrat Zottel die Szene. Stolz erhobenen Hauptes trabte er auf den Platz und schloß sich den anderen an.
„Wo kommt denn der her?“ wunderte sich Herr Bödeke . „Muß wohl ausgerissen sein. Willi! Willi, komm her und fang das Pony wieder ein!“
Irgendwo am Horizont setzte sich gemächlich der Stallbursche in Bewegung. Zottel beachtete ihn nicht weiter, er beschloß, daß das Tempo der anderen Pferde zum Einschlafen war, setzte zum Überholen an und zwickte seinen Vordermann aufmunternd in den Bauch.
Dann rückte er weiter auf und trabte nun neben der dicken Frau Walter her. Der kräftige Braune, der Frau Walter trug, sah sich neugierig nach dem Besucher um. Zottel stupste ihn in die Flanke und ermunterte ihn zum Galopp.
„Hilfe...“ Weiter kam Frau Walter nicht, denn der Braune hatte Zottels Vorschlag angenommen. Dies war Frau Walters erster Galopp, und da sie ihn unfreiwillig begonnen hatte, blieb es ihr versagt, das angenehme Schaukeln zu erleben, für das andere bei dieser Gangart so schwärmten.
Bei dem flotten Tempo, das der Braune nun vorlegte, bedurfte es nur weniger Sekunden, um auf seinen Vordermann aufzulaufen. Der setzte sich ärgerlich zur Wehr und keilte energisch aus. Die kugelige kleine Frau Süß landete auf seinem Hals und umschlang ihn mit Armen und Beinen, daß er sich eingeschnürt fühlte wie von einer Boa constrictor . Kein Wunder, daß er sie mit einem heftigen Buckler in den Sand neben Frau Walter setzte, die gerade gelandet war.
„Aber meine Damen, Ruhe bewahren, parieren Sie zum Schritt durch, Frau Brause! Frau Ludwig, keine Panik. Willi! Verdammt noch mal, du sollst das Pony hier rausbringen! Komm her, du Strolch, brrrr , ruhig, ganz ruhig, steh!“ Zottel aber dachte gar nicht daran; jetzt begann die Sache erst Spaß zu machen. Zu dritt galoppierten sie im Kreis, schlugen Haken, wo sich ihnen Herr Bödeke in den Weg stellte oder eine Reiterin im Sand kroch. Herr Bödeke seinerseits verwünschte den Tag, an dem er dafür plädiert hatte, den Außenreitplatz so groß anzulegen. Leichtathletik war nie seine Stärke gewesen, und ein paar Kilometer auf Sand zu laufen, darauf war er nicht trainiert.
„Willi, du Trottel, wo bleibst du denn? Na los, mach schon, die drei da einfangen! Und die anderen anhalten!“
Die anderen hatten inzwischen beschlossen, allen Bremsversuchen ihrer Reiterinnen zum Trotz, sich an der Jagd zu beteiligen; fröhlich galoppierten sie hinter ihren reiterlosen Freunden her. Runde um Runde drehten sie, und das Tempo steigerte sich bedenklich.
„Ha!“ schrie Herr Bödeke plötzlich siegesfroh. „Hab ich dich endlich!“ Er hielt Zottel am Halfter.
Zottel nickte bestätigend und ziemlich heftig, wobei er den Kopf tief senkte und gleich darauf hob. Leider war Herr Bödeke so dicht an ihn herangetreten, daß die Ponynase ihn genau auf jenem Punkt am Kinn erwischte, den ein Berufsboxer für einen klassischen K.-o.-Sieg wählt. Herr Bödeke ging zu Boden. Willi drehte sich auf den Knien im Kreis und durchwühlte den Untergrund nach seiner Brille. Die Pferde verlangsamten das Tempo und fielen in einen entspannten Trab.
„Was machen die denn da?“ fragte ein Restaurantbesucher seine Begleiterin.
„Keine Ahnung, ich verstehe nichts vom Reiten. Muß wohl so eine Art Bodengymnastik sein.“
Als am nächsten Tag Hans Tiedjen mit Bille und Simon anreiste, um den unfreiwilligen Fernfahrer abzuholen und
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