Das Fest der Schlangen
Schrecken, der sich durch den Flur bewegte, und dem Schrecken im oberen und unteren Stockwerk. Langsamer zog er weiter durch die schlafende Stadt, und Telefone begannen zu klingeln, erst bei der Polizei, dann aufwärts durch die Hierarchie des Krankenhauses, bei Schwestern, Oberschwestern, Ärzten, Stationsärzten, beim Rettungsdienstleiter, beim Personalchef, beim medizinischen Direktor, bis hinauf zur Klinikchefin. Von der Pflegehelferin bis zum Kuratoriumsmitglied, überall klingelte, summte, zwitscherte das Telefon in der Nacht. Alle hatten Freunde, und viele hatten das Bedürfnis, sie anzurufen – bald nicht nur Freunde, sondern auch Reporter, Lehrer, Psychologen, Sozialarbeiter und Wichtigtuer. Und die Welle wanderte über Brewster in die Welt hinaus, als die Leute erfuhren, dass im Krankenhaus ein Baby gestohlen und durch eine Schlange ersetzt worden war.
Es gibt also einen Unterschied zwischen denen, die vor halb drei, und denen, die danach wach sind. Doch unter denen, die vor halb drei wach sind, wollen wir uns Carl Krause anschauen. Sehen Sie den Craftsman-Bungalow an der Ecke Newport und Hope Street? Den mit grauen Holzschindeln verkleideten? Sehen Sie die beiden kleinen beleuchteten Fenster im Giebel vorn über der Veranda? Da ist Carl jetzt nach einem Streit mit seiner Frau Harriet. Das heißt, er hat getobt, und sie hat sich zurückgehalten. Aber statt zu schlafen, liegt er voll bekleidet auf seinem Bett und hat sogar seine Stiefel an. Er ist ein kräftiger Mann mit widerspenstigem schwarzem Haar, und er ist unrasiert. Vor Jahren ist das ganze Zimmer von Harriets erstem Ehemann mit Kiefernholz verkleidet worden, und Carl liegt sehr still da und starrt die Astknoten an. Er will sie dabei ertappen, dass sie sich bewegen; er weiß, dass sie es tun. Wenn er den Kopf zur Seite dreht, kann er es aus dem Augenwinkel sehen. Sie bewegen sich nicht viel, aber doch genug, um Besorgnis zu erregen. Und sie verändern ihre Form. Die beiden über seinem Kopf, die aussehen wie zwei Augen in der oberen Hälfte eines Gesichts, die haben gezwinkert, das hat Carl gesehen. Und er hat gesehen, wie sich ihre Brauen bewegt haben. Glauben Sie, dass die Augen das Fenster der Seele sind? Diese Seelen sind dunkel und niederträchtig. Carl weiß, sie meinen es nicht gut mit ihm. Klar, man könnte sagen, jeder Astknoten sieht aus wie ein Auge, aber kann man auch sagen, dass sie Gesichter und Köpfe haben, sogar Ohren? Und es sind nicht unbedingt Menschengesichter, nicht mal Tiergesichter – jedenfalls nicht von Tieren, die Carl schon gesehen hat. Vielleicht von Reptilien oder Schlangen. Und manche Augen sehen aus wie die Augen von Toten. Selbst wenn sie sich bewegen, sehen sie aus wie die Augen von Toten.
Man könnte annehmen, Carl habe getrunken, aber er ist so trocken wie ein Stein im Death Valley. Nicht, dass Trinken kein Problem gewesen wäre, genau wie der Zorn, der dafür verantwortlich ist, dass er jetzt oben ist und nicht unten. Harriet ist unten, und seine Stiefgören sind unten, und der Hund und die Katze sind unten, und er ist allein oben, nüchtern und ruhig. Sein einziges Problem sind die Astknoten, die raffinierten, die da über die Decke kriechen, Neuigkeiten sammeln, Pläne schmieden. Und wem verraten sie seine Geheimnisse? Das möchte er gern wissen. Vor wem muss er auf der Hut sein? Deshalb bewegt Carl nicht mal den kleinen Finger. Er stellt sich tot, um sie auszutricksen, und liegt da wie eine Leiche im Sarg, die nach oben starrt. Aber so dazuliegen, ist anstrengend. Es ist harte Arbeit, und er fängt an zu schwitzen, und der Druck nimmt zu. Er kann es fühlen, als ob da etwas in seinem Bauch auszubrechen versucht. Bald gibt es eine Explosion, und dann, Leute, seht euch vor.
2
Das Telefon auf Woody Potters Nachttisch fing um 2 Uhr 53 an zu klingeln, sein Handy setzte zwei Sekunden später ein, und so wusste er schon, bevor er technisch gesehen wach war, dass es eine große Sache sein musste. In einer Mischung aus Vorfreude und Grauen tastete er blindlings umher und hoffte, den Lärm abzustellen, bevor Susie gestört wurde, aber er griff daneben und stieß sein Handy auf den Boden, wo es unter das Bett rutschte. Erst dann fiel ihm ein, dass Susie nicht neben ihm lag und vielleicht nie wieder neben ihm liegen würde. Inzwischen hatte er jedoch den Hörer am Ohr, lag auf dem Bauch und versuchte, das Handy zu finden, während aufgeregte Stimmen seine Frauenprobleme gottlob in den Hintergrund treten
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