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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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blinzelnd hinein, aber ihr ganzes Gesicht war hell, und ihr blondes Haar glänzte. Er hätte gern seine Hand auf ihre gelegt, aber er behielt beide Hände am Lenkrad.
    Woody fuhr dahin, wo er am Dienstagmorgen mit Bobby Anderson gewesen war. Da war der Himmel grau gewesen, und die Wellen waren hoch gegangen. Heute war es sonnig, das Wasser war glatt, und die Wellen waren keinen halben Meter hoch. Jill nahm die Kaffeebecher aus der Tüte und stellte sie in die Becherhalter. Dann strich sie den Creamcheese auf einen einfachen Bagel und gab ihn Woody. Er war gerührt von dem leisen Gefühl von Häuslichkeit, das sein Herz mit einer allgemeinen Sehnsucht erfüllte. Zugleich war er froh, dass Kaffee und Bagel ihn daran hinderten, weiterzusprechen. Stattdessen sah er zu, wie die Möwen einander beiseite drängten. Auch Jill aß und schaute dabei auf das Wasser hinaus. Eigentlich hätte Woody gern mit ihr über die Geschehnisse gesprochen, über Carl und über die Kojoten. Aber er fand immer noch, dass sie die grausigen Einzelheiten nicht zu hören brauchte.
    Stattdessen näherte er sich dem Thema auf indirektem Wege. »Ich dachte immer, Ratlosigkeit und Unwissenheit wären das Gleiche – das heißt, wenn ich überhaupt darüber nachdachte. Doch in den letzten Tagen bin ich darauf gekommen, dass Ratlosigkeit auch das Resultat von Unwissenheit sein kann. Der Typ im You-You würde so was als Modifikation bezeichnen.« Woody erzählte kurz von Todd Chmielnicki, ohne zu erwähnen, dass Chmielnicki ihm in den Kopf geschaut hatte. »Jedenfalls, um mit der Unwissenheit fertigzuwerden, um klar zu sehen, muss man die Ratlosigkeit beseitigen, die Modifikation. Zum Beispiel, wenn man jemandem zuhört, kann man ihn nicht richtig hören, während man Zorn oder Zweifel empfindet oder so. Das sind auch Modifikationen. Ich versuche herauszukriegen, was in Brewster passiert, und ich sehe nur Verwirrung. Sie steht wie eine Mauer zwischen mir und meiner Unwissenheit. Ich muss zu der Unwissenheit an sich zurückkommen, damit ich etwas dagegen tun kann. Vielleicht kriege ich immer noch nichts raus, aber meine Chancen sind größer.«
    Jill überlegte einen Moment. »Ich glaube nicht, dass ich sehr oft ratlos bin, doch das liegt sicher daran, dass mein Leben nicht kompliziert genug ist.«
    Als sie zu Ende gefrühstückt hatten, machten sie mit Ajax einen kleinen Spaziergang. Woody sagte sich immer wieder, er habe keine Zeit, mit einem hübschen Mädchen spazieren zu gehen, aber er entschied, dass er sich zehn Minuten leisten konnte.
    Die Flut hatte den höchsten Stand fast erreicht, daher mussten sie durch den weichen, trockenen Sand gehen. Ihr Schritt war unsicher, und sie stießen immer wieder mit den Schultern aneinander. Sie hätten in größerem Abstand nebeneinander hergehen können, taten es jedoch nicht. Ajax lief voraus, kam zurück und lief wieder voraus. Immer, wenn Woodys Schulter Jill berührte, knisterte ein kurzer Funke in seinem Gehirn.
    Während Woody am Donnerstagmorgen am Strand spazieren ging, fuhr Bobby Anderson mit Harriets Zwergdackel Randy zu Wilcox’ Farm hinaus. Der Hund wog weniger als fünf Kilo – ein Kurzhaardackel, großenteils schwarz, aber mit braunen Pfoten und einer braunen Schnauze. Er stand auf dem Beifahrersitz und hatte die Vorderpfoten auf das Armaturenbrett gestellt, als freute er sich über diese Autofahrt. Als die Polizei am frühen Morgen mit ihrer Arbeit in Carls und Harriets Haus fertig gewesen war, hatte einer der Streifenpolizisten den Hund mit zum Revier genommen, bis das Tierheim öffnete. »Ist ja kein Pitbull oder so was«, sagte er dauernd. »Wir haben doch jede Menge Platz.«
    Als Bobby um halb acht ins Revier kam, nachdem er sich durch die Phalanx von Reportern, Fotografen und Leuten mit kleinen Diktiergeräten gekämpft hatte, fand er Randy im Büro der Detectives, wo er mit Käsecrackern und Kartoffelchips gefüttert wurde.
    Bobby beschloss, den Hund zu befreien. Er hatte ohnedies zu Hercel fahren wollen, um zu sehen, wie es ihm ging, und er musste sich draußen mit der Hundestaffel treffen. Ein zweiter Hund war hinzugezogen worden und sollte am Eingang zum Great Swamp anfangen, ungefähr drei Meilen weit von der Farm entfernt. Außerdem wollte Bobby mit Barton über Kojoten reden und sich ein Bild von ihnen machen. Er war nicht wie Woody, ließ sich von diesem Scheiß nicht kirre machen. Es brachte ihn nicht dazu, über die Grundfragen menschlicher Existenz zu grübeln. Woody musste

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