Das Fest der Schlangen
nur die: Bei Coywölfen haben Sie es mit einer ganz anderen Tierart zu tun – sie sind größer, hungriger, aggressiver. Trotzdem greifen Rotwölfe aber normalerweise keine Menschen an. Das ist mehr was für Grauwölfe.«
»Und was wollen Sie damit sagen?«
»Coywölfe könnten vielleicht über die Mauer springen und ein Schaf reißen, aber die hier sind viel aggressiver. Das sind Coywölfe plus noch etwas anderes. Nur weiß ich nicht, was das sein könnte.«
Detective Beth Lajoie hatte die Eigenschaften eines guten Polizisten: Sie handelte langsam, bedächtig und stur. Sie würde keine Drogendealer durch dunkle Hinterhöfe jagen und über Zäune springen, dafür gab es jede Menge jüngere Trooper, die auf so etwas erpicht waren. Sie hatte zwei Ehemänner und zwei Kinder hinter sich gelassen und lebte jetzt, mit fünfundvierzig, allein mit drei Katzen namens Wynken, Blynken und Nod. Sie praktizierte Tae Kwon Do, ihr Hobby war der Bürgerkrieg, und sie hatte die ruhige Art eines Menschen, der im Frieden mit sich selbst lebt. Doch das war eher Kunst als Leben. Es war der Käse, der die Maus in die Falle lockte.
Die Maus, für die Detective Lajoie sich an diesem Donnerstagmorgen interessierte, war Peggy Summers. Lajoie trug braune Mokassins zu einem smaragdgrünen Hosenanzug, was schrecklich aussah, und eine dicke gelbe Kordelkette, die einen grünen Streifen an ihrem Hals hinterließ, wenn sie sie zu oft trug. Das war nicht ihr übliches Outfit; sie wollte sich auf eine Weise kleiden, die Abscheu und Überlegenheitsgefühle weckte. Sie wollte nicht bedrohlich wirken. Sie warf noch einen beifälligen Blick in den Spiegel, ging dann hinaus zu ihrem grauen Mazda 6 und fuhr nach Brewster zu dem schmalen, holzverkleideten Haus in der Williams Street.
Peggy war in ihrem Zimmer, sah sich eine Wiederholung von General Hospital an und rauchte.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Peggy«, sagte Detective Lajoie. »Ich dachte, ich sehe mal nach dir.«
Peggys Blick strich über Detective Lajoies ausgewählte Garderobe, wie sie mit einem Lappen über eine staubige Fläche streichen würde. Dann wandte sie sich wieder dem Fernseher zu. »Und was sehen Sie?«
»Eine unglückliche junge Frau.« Detective Lajoie setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett. Der Aschenbecher auf dem Nachttisch war voller Zigarettenstummel.
»Sie wären auch unglücklich, wenn Sie in diesem Dreckloch leben müssten.«
»Wir glauben, du bist vielleicht in Gefahr.«
»Und warum schleifen Sie mich dann wieder hierher zurück?«
»Wir müssen abwägen, was für dich am besten ist, weiter nichts. Möchtest du spazieren fahren? Ein bisschen frische Luft schnappen?«
»Nein, mit Ihnen bestimmt nicht.«
Detective Lajoie warf einen Blick auf den Fernseher. Zwei Schwestern sprachen mit gedämpfter Stimme über einen gut aussehenden Arzt.
»Sag mal, Peggy, hast du je daran gedacht, Krankenschwester zu werden?«
»Igitt. Mit Bettpfannen und dem ganzen Scheiß? Niemals.«
»Und was möchtest du mit deinem Leben anfangen?«
»Von hier abhauen. Vielleicht nach Kalifornien. Ich hab eine Freundin in Sacramento.«
»Diese ganze Geschichte muss schrecklich für dich sein.«
»Es gefällt mir nicht, dass die Leute mich löchern, und es gefällt mir nicht, dass ich in diesem Haus eingesperrt werde.«
»Du kannst dafür sorgen, dass es schneller vorbei ist, indem du uns hilfst.«
»Ach ja? Wie denn?«
»Ich glaube, dass im Wald außer dir und Nina noch andere Mädchen misshandelt wurden.«
»Darüber weiß ich nichts.«
Detective Lajoie hörte einen scharfen Unterton in Peggys Stimme. Es klang hastig. »Bist du sicher? Plausibel wäre es schließlich. Könnte sein, dass ein Mädchen zu Hause entbunden hat. Hast du vielleicht von einer gehört? Sie könnte gesagt haben, sie hätte eine Fehlgeburt gehabt. Vielleicht wussten die Leute auch nicht, dass sie schwanger war. Manche Mädchen können das gut verbergen. Es muss auch nicht hier in Brewster gewesen sein – vielleicht in Wakefield oder in Narragansett. Weißt du da von jemandem?«
»Ich weiß einen Scheißdreck.«
»Denk nach, Peggy. Wenn du hier rauswillst, dann ist das der Weg. Ich will dir doch nur helfen.«
»Ja, darauf wette ich.« Peggy starrte den smaragdgrünen Hosenanzug an. Aber ihr Ton hatte sich verändert; sie klang ruhiger.
»Weißt du, wenn du mir sagst, was ich wissen will, müssten wir dich nicht zu Hause einsperren. Wir könnten dich irgendwo in einem schönen Hotel
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