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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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und zündete sich eine Zigarette an.
    »Sieht schlecht aus für Clouston.« Woody nahm Abstand von Gazzolas Zigarette. Er schaute zwei Eichhörnchen zu, die einander über die Äste einer Eiche jagten, und fragte sich, wie ihr Gefühlsleben aussehen mochte. Wahrscheinlich kannten sie keine Sorgen.
    Für Bonaldo als Makler wirkte das Haus wie zum Verkauf herausgeputzt und als wären sämtliche Mängel überpinselt worden. »Wieso?«
    »Ich bezweifle, dass er hier sauber gemacht hat. Also warum ist es passiert?«
    Gazzola trat seine Zigarette aus und überlegte, ob er sich sofort eine neue anzünden sollte. »Er könnte eine Freundin haben. Dann hat er vielleicht Sachen bei ihr. Von allem eine zweite Garnitur.«
    »Vielleicht.« Aber Woody glaubte es nicht.
    Im Laufe des Vormittags wurden Cloustons Freunde und Bekannte ermittelt, zuerst im Krankenhaus, und als Woody gegen elf dort ankam, erhielt er eine Liste von Leuten, mit denen er reden musste, angefangen mit Dr. Joyce Fuller. Woody ging in ihr Büro. Sie war nicht kühl zu ihm, doch nichts ließ erkennen, dass sie einander schon begegnet waren.
    »Mr. Clouston ist seit fast einem Jahr hier, und wir können von Glück sagen, dass wir ihn bekommen haben. Sein Fachgebiet ist die chirurgische Pathologie. Er untersucht Testresultate und trägt kritische Informationen über Stadium und Resektionskantenstatus chirurgisch entfernter Tumore zusammen. Er ist dem Pathologen unterstellt und verbringt viel Zeit am Mikroskop. Aber er hat auch Erfahrung mit radiologischen Techniken – Ultraschall, CT , MRT .«
    »Und warum können Sie von Glück sagen, dass Sie ihn bekommen haben?« Dr. Fullers Büro ließ Woody an Cloustons Haus denken: makellos und anonym. Ein Foto ihres Vaters in Uniform stand auf dem Schreibtisch, und an der Wand hingen drei gerahmte Diplome.
    »Clouston ist erstklassig ausgebildet, und in einem kleinen Krankenhaus wie diesem muss er mehrere Hüte tragen. Er könnte woanders viel mehr Geld verdienen. Aber er liebt das Meer. Das ist unser großes Verkaufsargument. Er geht angeln – Brandungsfischen hauptsächlich –, hat jedoch auch ein kleines Boot. Und er schwimmt. Letzten Sommer hat er mir Fische mitbringen wollen. Leider bin ich Vegetarierin.«
    »Was verdient er hier?«
    »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen kann.«
    »Sie können.«
    Sie starrten einander an, und Dr. Fuller schaute weg. »Ungefähr achtzigtausend.«
    »Können Sie etwas über sein Aussehen sagen?« Woody hatte ein Foto von Clouston, doch er ließ sich gern von anderen Leuten Beschreibungen geben.
    »Er sieht ziemlich durchschnittlich aus, trägt eine Brille, hat einen normalen Haarschnitt – braunes Haar. Er hat sehr flach anliegende Ohren; das ist ein Merkmal. Wenn Sie ihn von vorn anschauen, sind sie kaum zu sehen.«
    »Groß, klein?«
    »Durchschnittlich. Sie würden ihn wahrscheinlich nicht bemerken, wenn Sie ihn nicht suchen. Abgesehen von diesen Ohren.«
    »Mit wem hat er Umgang?«
    »Keine Ahnung. Ich interessiere mich nie für das Privatleben der Angestellten.«
    Als Nächstes sprach Woody mit Leuten, die mit Clouston zusammenarbeiteten – mit Sanitätern, Ärzten, Schwestern. Er sei still, aber freundlich, hieß es. Niemand schien eine Abneigung gegen ihn zu haben, aber gute Freunde hatte er auch nicht.
    »Kein Partylöwe?«, fragte Woody eine Radiologin namens Betsy Safarian.
    Safarian schaute ihn mit verständnislosen Augen an und platzte dann los. »Ich habe ihn auf der Weihnachtsparty letztes Jahr tanzen sehen«, sage sie lachend. »Er sah aus wie ein Zinnsoldat, so steif.«
    Einen der Ärzte, die mit Clouston zusammenarbeiteten, kannte Woody: Dr. Herb Serpa, Dermatologe.
    Im Jahr zuvor hatte Woody sich einen gutartigen Grützbeutel, eine Trichilemmalzyste, aus dem Rücken schneiden lassen. Das Ding hatte ausgesehen wie ein blutiges Wachtelei. Dr. Serpa hatte es entfernt und gesagt: »Sie haben Glück. Ich habe schon welche gesehen, die waren so groß wie ein Gänseei.« Das fand er komisch. »Gänseei«, hatte er wiederholt.
    »Ich war mit Benny mal Streifenbarsche angeln«, erzählte Dr. Serpa. »Wir haben jeder einen gefangen, der sich lohnte, und ein paar Winzlinge, die wir zurückgeworfen haben. Er hat ein kleines Boot, das mir nicht so gut gefiel. Ich kam mir vor wie eine Möhre, die in der Suppe dümpelt. Benny ist kein großer Redner, das steht fest, aber er versteht sein Handwerk, und er kann angeln. Sagen Sie mir, was wichtiger ist. Um diese Jahreszeit

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