Das Fest der Schlangen
während Carl sich die Sache noch einmal überlegte. Während Bobby schrie, hatte er sich langsam auf ihn zu bewegt, und als Carl einen nachdenklichen Moment lang den Kopf senkte, hatte Bobby die Flinte an sich gerissen und ihm damit eins auf den Schädel gegeben.
»So hart hätten Sie nicht zuschlagen müssen«, hatte Chief Bonaldo gesagt.
»Einen Scheiß hätte ich.« Bobby hatte einen Blick auf den Jungen geworfen und gesehen, dass Hercel ihm zustimmte, was eine Menge über sein Verhältnis zu seinem Stiefvater aussagte.
Das war weniger als eine Stunde her, und jetzt saß Carl ihm gegenüber am Tisch. Sein fleckiges T-Shirt war zerrissen, und er hatte eine rote Schramme an der Wange. Für einen relativ jungen Mann – Carl war Ende dreißig – hatte er ein stark zerfurchtes Gesicht, aber es waren weniger Altersfalten als Kerben, die dunkler wirkten, weil er unrasiert war, und die man bekam, wenn man beim Schlafen falsch auf dem Kopfkissen gelegen hatte – nur, dass sie bei Carl permanent vorhanden waren. Und er hatte etwas Kaltes an sich. Er sah aus, als wünschte er sich den Augenblick, in dem er entschieden hatte, Bobby und Chief Bonaldo nicht umzubringen, noch einmal zurück, weil er sie jetzt, wenn er die Chance hätte, abknallen würde.
Das Dumme war, dass Bobby nicht wusste, wie er Carl länger als vierundzwanzig Stunden einsperren konnte. Schön, er hatte gedroht, ihnen die Rübe wegzuschießen, aber ein Anwalt könnte einwenden, Carl habe die Waffen sinken lassen, als er erkannt hatte, dass die beiden Männer Gesetzeshüter waren. Wenn er Carl einbuchtete, würde die Sache niemals vor Gericht kommen. Bobby würde nur die Zeit aller möglichen Leute verschwenden. Andererseits hatte Carl ihn umbringen wollen. Bobby hatte schon oft erlebt, dass wütende Männer und sogar wütende Frauen ihn mit Mordlust im Blick anstarrten. Doch bei Carl war es anders. Er starrte Bobby lächelnd an, und Bobby wusste, dass Carl glaubte, der Tag würde kommen, an dem er sich revanchieren konnte.
»Warum zwingen Sie Ihren Sohn, Sie Mr. Krause zu nennen?«
»Er ist nicht mein Sohn, er ist mein Stiefsohn.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Es ist eine Frage des Respekts.«
»Schlagen Sie ihn?«
»Da fragen Sie besser ihn.«
»Er hat Angst vor Ihnen.« Dann dämmerte Bobby, dass Hercel gar keine Angst um sich selbst, sondern um jemand anderen hatte, vielleicht seine Mutter oder seine Schwester. Vielleicht hatte er auch Angst, er dürfte seinen Vater in Oklahoma nicht mehr besuchen.
»Kein Junge hat es gern, erzogen zu werden.«
Carl redete mit ihm wie mit einem Trottel, und das gefiel Bobby nicht. »Jemand ist letzte Nacht in Ihren Keller eingebrochen und hat diese Schlange gestohlen. Ich weiß nicht, wann das passiert ist. Vermutlich, nachdem Hercel schlafen gegangen war.«
»Ich war oben im ersten Stock. Ich habe nichts gehört.«
»Wer wusste, dass die Schlange im Keller war?«
»Die halbe Nachbarschaft. Sie ist dauernd ausgebrochen.«
»Kennen Sie Peggy Summers?«
»Kann man nicht sagen, aber ich weiß, wer sie ist. Eine Schlampe.«
»Woher wissen Sie das?«
»Die Leute reden.«
»Sagen die Leute auch, wer der Vater ihres Kindes ist?«
»Wenn, dann habe ich es nicht gehört.«
»Was ist mit Alice Alessio?«
»Da klingelt nichts.«
»Schwester Spandex?«
»Auch nicht. Ist das ein richtiger Name, oder wollen Sie mich reinlegen?«
»Ich würde Sie doch nicht reinlegen, Carl.«
Bobby wusste, dass Carl bei einem Klempner in der Stadt gearbeitet hatte und entlassen worden war. Er hatte auch bei einer Baufirma gearbeitet, die ihn ebenfalls gefeuert hatte. Der Klempner behauptete, Carl habe eine problematische Einstellung, und die Baufirma gab an, Carl habe einen Mann geschlagen. Bobby konnte sich vorstellen, dass es davor schon öfter Probleme gegeben hatte, ein ganzes Leben voller Probleme. Er hatte nachgesehen, ob Carl ein Vorstrafenregister hatte, aber da gab es nur ein paar Bußgelder wegen zu schnellen Fahrens. Bobby hatte auch gehört, dass Carl charmant sein konnte, doch wenn das stimmte, hatte er es noch nicht erlebt. Jetzt arbeitete Carl auf eigene Rechnung als Handwerker und Hausmeister, hauptsächlich außerhalb der Saison in den Häusern unten am Strand, aber auch für ein paar Firmen in der Stadt. Er trank nicht, und angesichts seines Jähzorns war das nur gut so.
Carl verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl. Wahrscheinlich taten die Handschellen ihm weh – Bobby hatte sie eng
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