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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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gehindert. Wir sind sowieso nicht hingegangen. Ich wollte meine Schlange besuchen, aber da waren zu viele Leute im Weg. Ich will, dass die Polizei sie mir zurückgibt. Es ist unrecht, wenn sie bestraft wird. Sie ist nur eine Schlange.«
    Woodys Zorn verging. Was er da sah, war ein Junge mit einem gleichmäßigen Temperament, eine Miniversion jener Leute, die wie auf Schienen durch ihr Leben fahren und nur minimale Zweifel kennen. Baldo hingegen war den Tränen nahe.
    Woody kratzte sich am Hinterkopf. Er war lange auf gewesen und hatte mit Dr. Fuller gesprochen, und die Nachricht von dem Mord an Hartmann hatte ihn früh geweckt. Das war das Problem bei diesen zeitraubenden Ermittlungen: Man kriegte nie genug Schlaf. Er setzte sich neben Baldo und warf einen Blick auf die Krümel auf dem gelben Pullover.
    »Okay«, sagte er zu Jill, »diesmal haben Sie noch Glück gehabt, aber die Sache ist schwierig genug, ohne dass Leute wie Sie alles noch verworrener machen. Kommt, Jungs, ich bringe euch in die Schule.«
    Jill sah ihn an und lächelte ein bisschen. Er fand, sie sah selbstgefällig aus. Sie fand, er sah gut aus. Sie verabschiedete sich von Hercel und Baldo, und Woody ging zur Theke und erkundigte sich nach der Frau, die er hier suchte. Sie arbeitete nur nachmittags und abends, erfuhr er.
    Er hob Hercels Fahrrad aus dem Kofferraum von Jills Wagen, schob es zu seinem Tundra und legte es hinten hinein. (»Schönes Rad, Junge. Das Grün gefällt mir.«) Woodys Golden Retriever hatte im Truck gewartet und versuchte jeden der beiden Jungen tausendmal abzulecken. »Hey, der leckt mein Gesicht. Haben die keine Bazillen?«, fragte Baldo, aber Hercel und Ajax verstanden sich prima. Nicht lange, und Hercels dunkles Kapuzen-T-Shirt war übersät von Hundehaaren. Das einzige Problem bei einem Hund im Truck war, dass man nur schwer miteinander sprechen konnte. Woody erfuhr zumindest, dass die Schlange Satan hieß.
    Ein leichter Wind und die Morgensonne brachten ein bisschen Leben ins letzte Laub. Ein Schwarm Gänse zog am Himmel vorüber zu einem Salzteich. Es war Freitag, der 23 . Oktober. In zwei Wochen hatte Susie Geburtstag. Na, wenigstens muss ich ihr nichts mehr schenken , dachte Woody. Da spare ich etwas . Er versuchte zu lächeln, aber es fühlte sich an wie ein Messer im Bauch.
    Woody ging mit den beiden Jungen zum Büro der Schulleiterin, um dafür zu sorgen, dass sie wegen ihres Zuspätkommens keinen Ärger bekamen. Die Schulleiterin war eine stämmige Frau um die fünfzig. Sie hieß Deborah Dove und hielt sich selbst für beinhart.
    »Es ist absolut schrecklich, was da passiert ist.« Sie hatte eben erst von Ernest Hartmann gehört. »Sind Sie sicher, dass wir nicht in Gefahr sind? Es fühlt sich jedenfalls so an.«
    Woody dachte an Bobby Andersons Witz über die CIA , die eine taktische Spezialeinheit nach Brewster entsandt hatte. Er wollte es erwähnen, ließ es dann aber bleiben. »Wir sorgen dafür, dass Ihnen auch weiterhin keine Gefahr droht, Ma’am.« Er verabschiedete sich von den Jungen. Als er hinausging, hörte er, wie Baldo sagte: »Wann erzählst du es mir?« Hercel zischte: »Später!«
    Woody fuhr in die Stadt und zur Water Street, um mit dem Mann im You-You zu sprechen, der Hartmann eine Massage verpasst hatte; das hatte er von Jean Sawyer im Brewster Brew erfahren. Sie sagte, Hartmann habe Rückenschmerzen gehabt, weil er sich wegen schrecklicher Beklommenheitsgefühle die ganze Nacht hin und her gewälzt habe. Das Elend sei ihm ins Gesicht geschrieben gewesen wie ein Bild auf einer Plakatwand.
    Obwohl die Ermittlungen noch am Anfang standen, wusste Woody bereits ein paar Dinge. Zum Beispiel, dass die Plazenta des Babys, die in einem Gefrierschrank auf die Sondermüllabfuhr gewartet hatte, ebenfalls verschwunden war. Niemand hatte eine Erklärung dafür. Chief Bonaldo vermutete, sie sei gestohlen worden, was aber lächerlich klang. Wer stahl denn eine Plazenta? Woody entsann sich, dass jemand von einer möglichen DNA -Untersuchung gesprochen hatte. Er versuchte sich zu erinnern, wo dieses Gespräch stattgefunden hatte, und ihm fiel ein, dass es die Reporterin aus Brewster gewesen war, die es in der Cafeteria erwähnt hatte. Die Mutter habe behauptet, ihr Baby sei so etwas wie die Kreatur aus Rosemary’s Baby , und Jill hatte gemeint, eine DNA -Untersuchung könnte hilfreich sein, um den Vater des Babys zu identifizieren. Woody hatte geglaubt, sie mache einen Witz.
    Bei der Durchsuchung von Hartmanns

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