Das Fest der Schlangen
gefällt. Wäre das nicht super?«
»Wahrscheinlich.« Baldo konnte sich nicht vorstellen, irgendwo anders als in Brewster zu wohnen, trotz aller Einschränkungen.
»Wo würdest du als Erstes hingehen?«
»Vielleicht zu meiner Großmutter. Die wohnt in Narragansett.«
»Mein Dad wohnt in Oklahoma. Da könnte ich hin. Aber dann würde ich an den entferntesten Ort im entferntesten Universum gehen, ganz egal, wo das ist. Zumindest wäre es da anders.«
Als sie noch einen Block weitergefahren waren, fragte Baldo: »Was ist jetzt mit diesen Murmeln? Das war sagenhaft.«
»Später, habe ich gesagt. Jetzt ist noch nicht später.«
Als sie bei der Müllkippe ankamen, fragten sie sich misstrauisch, was sie dort erwartete. Sie sahen eine Menge Verkehr, der nicht aussah wie Müllkippenverkehr. Vor dem Tierheim standen zwei TV -Übertragungswagen und zahlreiche Autos von Journalisten und Neugierigen. State Trooper und etliche Polizisten aus Brewster waren ebenfalls zu sehen.
»Anscheinend interviewen sie deine Schlange.« Baldo sprang ab, als Hercel anhielt. »Wahnsinnsfahrt.«
Hercel hielt es für einen Witz, dass die Schlange interviewt wurde. Er hatte zwar oft das Gefühl, zu wissen, was die Schlange dachte, aber das war so, weil er sie kannte. Für andere Leute war es nur irgendeine Schlange.
Er lehnte sein Fahrrad an eine Blechtonne, und sie gingen auf das Tierheim zu, ein eingeschossiges Hohlblockgebäude, flankiert von Reihen von Käfigen, in denen eine Meute Hunde sich die Lunge aus dem Hals bellte. Manche sprangen gegen den Maschendraht, was ein schepperndes Geräusch hervorrief. Baldo wusste nicht, wie sie da hineinkommen sollten. Hercel hatte den Plan, einfach zielstrebig weiterzugehen. Schließlich war es seine Schlange. Von der Müllkippe kam ein dicker, pelziger Geruch wie von einer geronnenen Fleischsuppe mit Zitronenscheiben.
Hercel wollte sich zwischen den Leuten hindurchschieben, als eine Frau ihn sah. Sie schaute ihn an, einmal, zweimal, dann lief sie auf ihn zu und packte ihn am Arm.
»Hey, ich kann euch helfen. Kommt hier rüber.«
Sie kam den beiden bekannt vor: blond, eher jung, sportlich und mit einer Stupsnase. Dann fiel Baldo ein, dass sie in der vierten Klasse Hilfslehrerin gewesen war, aber wie sie hieß, wusste er nicht mehr. Sie war nur für ungefähr eine Woche da gewesen. Die Frau war Jill Franklin, Reporterin der Brewster Times & Advertiser , und sie konnte ihr Glück kaum fassen.
»Habt ihr Hunger, Jungs? Kommt, ich spendiere euch ein Frühstück.« Sie stellte sich vor und erinnerte sie daran, dass sie ihre Hilfslehrerin gewesen war.
»Ich will nicht frühstücken«, sagte Hercel.
»Ja, ich weiß«, sagte Jill, »du willst deine Schlange. Aber die kriegst du nicht. All diese Leute werden dich aufhalten. Und wenn nicht, werden die Cops dich aufhalten. Habt ihr keine Schule? Oder schwänzt ihr?«
»Das ist meine Schlange. Ich will wissen, wie es ihr geht.«
»Ihr geht es prima«, sagte Jill. Jetzt erinnerte sie sich wieder an Hercel vom letzten Jahr her – ein sehr nüchterner Junge ohne viel Phantasie, der sie jedoch nicht in den Wahnsinn getrieben hatte wie ein paar andere. Dieser kleine Bonaldo zum Beispiel, der Sohn des Chiefs, hatte irgendeine Furzmaschine unter ihren Stuhl gelegt, und als die angefangen hatte zu detonieren, hatte Jill der Disziplin in dieser Klasse auf Wiedersehen sagen können. »Glaub mir, ihr kommt da nicht rein. Aber ich kann euch helfen. Jetzt lasst uns von hier verschwinden, bevor diese Aasgeier euch entdecken.«
»Ich hab mein Rad dabei.«
»Das passt hinten in meinen Tercel, glaube ich.«
Also legten sie das Fahrrad in den Kofferraum und sicherten es mit einem Stück Wäscheleine. Baldo stieg hinten ein, und Hercel saß vorn. Jill fuhr zum Dunkin’ Donuts am Stadtrand. Selbst wenn die beiden nicht hungrig waren, sie war es. Sie war seit dem frühen Morgen auf den Beinen – seit die Nachricht von der Leiche im Great Swamp über den Polizeifunkscanner gekommen war.
Sie drehte sich nach dem pummeligen Bonaldo-Jungen um. »Stehst du immer noch auf Fürze?«
»Ziehen Sie mal an meinem Finger.«
Jill lachte so sehr, dass sie fast über den Bordstein gefahren wäre. »Spielt er dir auch solche Streiche?«, fragte sie Hercel.
»Das lässt er besser bleiben. Wenn er weiß, was gut für ihn ist.« Hercels Ton hatte nichts Drohendes, und das machte ihn irgendwie noch bedrohlicher.
»Was würdest du sonst tun?«, fragte Jill im Plauderton.
Hercel
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