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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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geführt hatte, doch schließlich ging es um seine Schlange. Es war ja nicht so, dass Mr. Krause eine Schlange geklaut worden war.
    Hercel war nach der Schule mit Baldo nach Hause gekommen, sie hatten eine Kleinigkeit gegessen und ein bisschen ferngesehen, und dann war Baldo nach Hause gegangen. Hercel hatte gerade die Milch aus dem Kühlschrank genommen, als Mr. Krause lautlos hinter ihm in die Küche gekommen war und geknurrt hatte. Hercel hätte beinahe den Milchkarton fallen lassen.
    »Ich weiß, was du tust«, hatte Mr. Krause gesagt.
    Hercel hatte erst nach ein paar Sekunden begriffen, dass Mr. Krause nicht die Milch meinte. Er hatte außerdem begriffen, dass es keinen Sinn hatte, Mr. Krause zu fragen, was er stattdessen meinte. Davon würde Mr. Krause bloß wütend werden. Also war er einfach vor Mr. Krause stehen geblieben, ohne ihn groß anzusehen, denn das hatte Mr. Krause auch nicht gern.
    »Wie würde es dir gefallen, wenn nachts jemand vor deiner Tür stünde? Würde dir das gefallen, Junge?«
    Hercel verneinte.
    »Hast du ein Schloss?«
    Hercel schüttelte den Kopf.
    »Das ist ein Jammer, Junge. Hörst du, was ich sage? Es ist immer gut, wenn man ein Schloss zum Abschließen hat.« Mr. Krause hatte die Küche verlassen und war wieder nach oben gegangen.
    Hercel hatte entschieden, dass er jetzt doch keine Milch trinken wollte, und den Karton wieder in den Kühlschrank zurückgestellt. Dann hatte er sich auf die Suche nach seiner Mutter gemacht und ihr erzählt, er wolle Tig besuchen. Sie habe ihn eingeladen. Es sei nicht sehr weit, und er könne mühelos mit dem Rad hinfahren. Er war überrascht gewesen, als sie einverstanden war, statt eine Menge Fragen zu stellen. Sie hatte nur traurig ausgesehen.
    »Sei vorsichtig«, hatte sie gesagt.
    Okay, hatte er geantwortet. Er hatte sich einen Pullover geholt, seine Zahnbürste hinten in die Tasche seiner Jeans gesteckt und war losgefahren.
    Antigone, genannt Tig, wohnte sechs Meilen weit außerhalb der Stadt, und als Hercel den Weg halb hinter sich hatte, war die Sonne untergegangen. Tig hatte ihn schon ein paarmal eingeladen, sich ihre Schafe anzusehen. Er könne über Nacht bleiben und ihr am nächsten Morgen helfen, die Hühner zu füttern. Er dachte lieber nicht daran, dass es ungehörig war, um diese Zeit dort aufzukreuzen – wenn es dunkel wurde, zur Abendbrotzeit. Aber seine Mom hatte gesagt, es sei okay.
    Und er wollte Baldo nicht sehen. Für heute hatte er genug von Baldo. Er hatte ihm erzählt, der Trick funktioniere mit einem Magneten, die Murmeln seien in Wirklichkeit Stahlkugeln, die wie Murmeln aussähen, und der Magnet sei ein kurzer Stab, den er in der Hand verborgen halte, und dann hatte er noch etwas von positiven und negativen Polen gesagt. Baldo hatte ihm kein Wort geglaubt, wollte ihn aber nicht Lügner nennen. Solche Eigenschaften bewunderte Hercel: Skepsis und Loyalität. Trotzdem hatte er nicht vor, Baldo etwas zu verraten. Baldo war schließlich nach Hause gegangen, doch Hercel wusste, er würde seinen Dad nach Magneten und positiven und negativen Polen befragen. Hercel war es egal, denn jetzt war er nicht mehr zu Hause.
    Was den »Trick« anging, wie Baldo es nannte, so wusste Hercel nicht, wie er funktionierte – nur, dass er davon Kopfschmerzen bekam. Er schaute die Murmeln sehr angestrengt an und gab ihnen irgendwie mit den Gedanken einen Stoß. Er konzentrierte sich, stellte sich vor, wie eine von ihnen sich bewegte, wie sie rollte und in die Höhe stieg, und dann fing eine an zu rollen. Und noch eine. Wie konnte er das jemandem erklären, vor allem einem Jungen, der nur Blödsinn im Kopf hatte? Was war denn auch so Besonderes daran, eine Murmel fünf Zentimeter weit rollen oder aufsteigen zu lassen? Kleine Fische, sagte sein Dad immer.
    Nur wenige Autos kamen vorbei, und das war auch gut so, denn Hercels Fahrrad hatte hinten keinen Reflektor und vorn keine Lampe. Immer wenn ein Auto kam, fuhr er auf den unbefestigten Rand. Die Straße war von Bäumen gesäumt, und es wäre geradezu typisch, wenn er einen davon rammen würde. Er musste langsamer fahren, und das war schlecht, denn bald würde er gar nichts mehr sehen können. Ab und zu standen Häuser abseits der Straße zwischen den Bäumen, und das Licht von dort half ein wenig. Er durfte nur die Abzweigung zu Tigs Farm nicht übersehen. Sonst säße er wirklich fest.
    Zum Glück kam wieder ein Auto, als er sich der Zufahrt näherte. Im Vorbeifahren hupte es, und Hercel wäre

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