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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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beinahe in den Graben gerauscht. Er fuhr weiter und bog in den Zufahrtsweg ein. Inzwischen war es dunkel. Nirgends brannte Licht. Er schätzte, dass er noch ungefähr eine Meile vor sich hatte, aber als er ungefähr zwanzig Meter weit gefahren war, rutschte sein Vorderrad von der Straße herunter. Er lenkte hart nach links, doch der Reifen scharrte an der Asphaltkante entlang, und Hercel stürzte. Dabei schürfte er sich die Hände am Kies auf, und die Landung verschlug ihm den Atem. Er hob das Rad wieder auf und schob es ein paar Schritte weit. Anscheinend war nichts kaputt. Er humpelte daneben her, denn er hatte sich das Knie angeschlagen. Glücklich war er nicht, aber vermutlich war bloß passiert, was zu erwarten war, und damit musste er sich abfinden. Er bedauerte nur, keine Taschenlampe mitgenommen zu haben, weil er es zu eilig gehabt hatte, wegzukommen.
    In diesem Moment hörte er das Kläffen. Zuerst dachte er, es wäre ein Hund, doch es klang höher als das Bellen eines Hundes. Er hörte einen, dann zwei, dann drei, und er ging schneller, ohne zu wissen, ob er weiter geradeaus ging. Er kam von der Straße ab und wäre beinahe wieder hingefallen. Rasch schob er das Rad zurück auf den Asphalt und ging weiter.
    Das Kläffen kam näher. Manchmal klang es fast wie ein Kreischen, wie von einer Sirene oder einer Katze. Hercel schob sein Fahrrad im Laufschritt weiter. Als er das nächste Mal von der Straße abkam, riss er das Rad zurück und stieg auf. Wacklig fuhr er durch die Dunkelheit und bemühte sich, parallel zur Asphaltkante zu fahren, auch wenn er nur ahnen konnte, wo sie verlief. Das Gebell wurde immer lauter. Wenn es hell gewesen wäre, hätte er sie sehen können.
    Er hatte schon Kojoten gesehen. Vor einer Woche waren zwei im hohen Gras unten am Strand gewesen. Er wusste, dass sie sich die Haustiere der Leute holten, davon erzählten die Kids in der Schule. Sie wühlten im Müll der Leute und drückten sich nachts herum. Aber er hatte noch nie gehört, dass sie jemanden gejagt hätten. Er trat hart in die Pedale, hielt die Hände fest am Lenker und bemühte sich, geradeaus zu fahren. Als er den Schatten eines Baumes zu sehen glaubte, machte er einen Bogen. Das Kläffen der Kojoten war fast wie ein Gesang.
    Ein paar Augenblicke später sah Hercel einen Lichtschimmer zwischen den Bäumen. Die Kojoten waren ihm dicht auf den Fersen. In den kurzen Momenten der Stille in ihrem Gebell hörte er das Klicken ihrer Krallen auf dem harten Belag der Straße. Hercel stellte sich auf, trat noch kräftiger und rutschte vom Asphalt, behielt aber sein Gleichgewicht und riss das Rad wieder zurück auf die Straße. Seine Schenkelmuskeln brannten, und die Finger taten weh, weil er die Lenkergriffe so fest umklammerte. Das Licht wurde heller. Links vor sich sah er eine Mauer und dann ein Tor. Das musste die Farm sein. Er hörte die Kojoten hecheln. Er bemühte sich, das Grauen niederzukämpfen, und nahm Kurs auf die Mauer.
    Bobby Anderson gab Gas, als er vom Polizeirevier die Water Steet hinauffuhr, und das Knurren seines schwarzen 370 Z klang ein bisschen wie das Knurren von Carl Krause. Gerade hatte er zwanzig Minuten mit diesem Wichser Freddie Bonaldo verbracht, was ihm vorkam wie zwanzig Tage. Er hatte den Chief gebeten, die Polizei in Oswego anzurufen und nachzufragen, ob sie eine Akte über Krause hatten. Aber Freddie hatte es vergessen. Der Mann hatte zu viel mit der Presse zu tun gehabt, zu viel damit, sein Foto auf die Titelseite mehrerer Zeitungen zu kriegen. Außerdem hatte er ein paar provokante Kommentare abgegeben, zum Beispiel: »Ich frage mich, ob noch irgendein Baby in dieser Stadt sicher ist.« Was war bloß in ihn gefahren? Bobby wusste, dass Freddie danach lechzte, bekanntzugeben, dass jemand skalpiert worden war, denn er dachte, das würde ihm einen Auftritt bei Jay Leno einbringen. Wahrscheinlich würde er eher seinen Job verlieren.
    Zumindest war die Einsetzung der sogenannten Task Force bekanntgegeben und eine Befehlshierarchie etabliert worden. Die Leitung hatte der Detective Commander der State Police, Captain Tom Brotman. Bobby hatte bisher nur ein paar Worte mit ihm gewechselt, aber er kannte dessen Ruf: Der Mann galt als zäh, clever und fotogen. Der fotogene Teil könnte zum Problem werden, wenn sich das auf seine Beziehung zur Presse auswirkte. Bobby misstraute einem Vorgesetzten, der sich gern fotografieren ließ. Sollte die Situation sich verschärfen, würde der stellvertretende

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