Das Fest der Schlangen
Superintendent übernehmen, aber einstweilen war es jetzt Brotman, und die Cops der Stadt – einschließlich Bonaldo – würden ihre Anweisungen von ihm entgegennehmen. Mit dem FBI lagen die Dinge anders: Sie erzählten Brotman nur das, was sie ihm erzählen wollten. Doch jetzt war der Gouverneur in Aktion getreten. Rhode Island hatte ungefähr eine Million Einwohner, und das bedeutete, der Gouverneur konnte seine Nase in alles stecken. Er hatte Brotman bereits seine Presseleute zur Verfügung gestellt, und die Hubschrauber und ein Haufen Reporter waren nach Providence zur Pressekonferenz abgedüst.
Jetzt am Abend, nach der ganzen Aufregung, klappte die Stadt schon die Fensterläden zu. Ronnie McBride hatte in der Eingangsnische von Crandall Investments bereits seinen Schlafsack entrollt. Es war gerade acht, und er war schon blau. Howard Phelps schloss sein Installationsgeschäft ab. Wo Woody war, konnte man nicht wissen. Bobby war ihm am frühen Nachmittag über den Weg gelaufen, und Woody hatte ihn beauftragt, Schwester Spandex zu suchen. Herzlichen Dank auch, Woody . Aber Woody hatte einen Hinweis von einem Typen im You-You bekommen, dem er nachgehen wollte. Glücklich hatte er dabei nicht ausgesehen, und Bobby hatte ihn gefragt, was los sei.
»Ein Kerl, den ich befragt habe, ein Yoga-Lehrer. Ich hätte ihn dem FBI überlassen sollen.«
Warum?, hatte Bobby gefragt.
»Der Scheißer hat dauernd meine Gedanken gelesen. Das hat mir gerade noch gefehlt: ein New-Age-Hellseher.«
Von Janie Forsyth, der Fotografin der State Police, die mit im Krankenhaus gewesen war, hatte Bobby erfahren, dass Susie ausgezogen war. Zuerst war er wütend gewesen, weil Woody es ihm nicht erzählt hatte, doch dann hatte er begriffen, dass es nur zeigte, wie sehr Woody litt. Woody verarbeitete seinen Schmerz nicht, sondern verschloss ihn in sich. Wenn der Schmerz überhaupt zum Vorschein kam, dann in Form von Dampf, der aus seinen Ohren strömte. Das Letzte, was Bobby von Woody über Susie gehört hatte, war die Information, dass sie im Dezember heiraten wollten. Jetzt hatte Susie sich verabschiedet. Aber Bobby war doch angeblich sein bester Freund. Wie konnte man seinem besten Freund verschweigen, dass die Freundin einen abserviert hatte?
Bobby hatte das Gefühl gehabt, die beiden gut zu kennen. Er und seine Frau waren oft mit ihnen ausgegangen – Essen, Kino, Tanzen, Angeln, lauter gute Sachen. Susie hatte sogar den Babysitter für seine Kinder gemacht. Sie stand kurz vor dem Abschluss ihres Studiums der Sozialarbeit an der University of Rhode Island, nur ein paar Klausuren und Praktika fehlten noch. Sie und Woody hatten sich vor vier Jahren kennengelernt, und vor zwei Jahren war Susie in Woodys Haus in Carolina eingezogen. Wann hatte Bobby sie das letzte Mal gesehen? Vor vielleicht drei Wochen. Da hatten sie zu viert in einem italienischen Restaurant in East Greenwich gegessen. Sie hatte ganz okay ausgesehen, aber auf der Heimfahrt hatte Bobbys Frau gemeint, Susie habe ein wenig bedrückt gewirkt. »Du suchst überall nach Dramatik«, hatte Bobby gesagt. »Sie sah prima aus.«
Er freute sich nicht darauf, Shawna zu erzählen, dass er sich geirrt hatte.
Schwester Spandex hatte er nicht gefunden. Sie war nicht da, wo sie normalerweise war. Gestern hatte sie Dr. Fuller im Krankenhaus angerufen und ihr mitgeteilt, sie werde ein paar Tage fehlen. Danach hatte Dr. Fuller erfolglos versucht, sie aufzutreiben. Entweder hielt Schwester Spandex sich versteckt, weil sie Mist gebaut hatte, oder sie hielt sich versteckt, weil sie in irgendeiner Hinsicht schuldig war. Oder sie war tot. Das klang unwahrscheinlich, aber Bobby hätte immer gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass jemand skalpiert wurde. Er würde morgen weitersuchen, doch jetzt wollte er zu Peggy Summers, um zu versuchen, ihre Zunge zu lockern, was den Vater des Babys anging. Er hatte das Zeug über Rosemary’s Baby gehört, und in seinen Augen war Peggy ziemlich verkorkst. Andererseits war sie natürlich erst siebzehn.
Peggy wohnte bei ihren Eltern in einem Haus in der Gegend, in der früher die Strickerei gestanden hatte, in einem Arbeiterhaus in der Williams Street. Die Strickerei war weg, und das Haus stand noch da. Genau gesagt, war die ganze Straße mit ihren gleichförmigen, schmalen, zweigeschossigen, holzverkleideten Häusern noch da, und die Häuser sahen irgendwie ratlos aus, als wüssten sie nicht, was sie mit sich anfangen sollten. Peggys Vater, Ralph Summers, hatte
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