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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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hatte, war er nicht sicher gewesen, ob er die Polizei rufen sollte oder nicht. Er hatte noch nie gehört, dass jemand einen Kunden derart angeschrien hatte. Howard war in seinem Büro gewesen und hatte es aus dieser Entfernung gehört. Als er herausgekommen war, um mit Carl zu reden, hatte der Kunde die Flucht ergriffen, aber es waren noch andere Leute dabei gewesen, und sie hatten Carl angestarrt, als wäre er verrückt geworden. Nachdem Howard erfahren hatte, was passiert war, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn zu entlassen. In diesem Moment hatte er befürchtet, Carl könnte ausrasten und ihn schlagen, aber dann hatte er versucht, die Sache hinter sich zu lassen. Es hatte keinen Sinn, Carl ein Zimmer in seinem Kopf zu vermieten. Er hatte gehofft, dass Carl es genauso sehen und die Sache vergessen würde. Doch dann hatte er ihn angeknurrt, und was sollte Howard davon halten?
    Harriet Krause schlief, und ihre Tochter Lucy ebenfalls. Carl war oben und beobachtete die Bewegungen der Astlöcher. Dreimal hatte er draußen auf dem Flur die Katze gehört, aber als er die Tür aufriss, war sie weg gewesen.
    Jean Sawyer lag neben ihrem schlafenden Ehemann im Bett und las einen Liebesroman, Die Laster der Jungfrau . Immer wenn sie zu schlafen versuchte, sah sie den armen Mr. Hartmann skalpiert da draußen im Sumpf liegen, und dann überlief es sie eisig. Zweimal hatte sie Frankie angestoßen und auf ein wenig Trost gehofft, aber das Schwein lag da und schlief wie ein Toter.
    Todd Chmielnicki saß auf einem kleinen Teppich in seinem Apartment, eher Mönchszelle als Heim, und starrte die kahle weiße Wand an. Seine Augen waren offen, doch er sah nichts. Was bedeutete es, von der Realität frei zu sein? Und warum wollte das jemand? Chmielnicki konzentrierte sich auf den ersten der oberen Äste des Ashtanga. Sein Geist war aus der Welt zurückgekehrt und richtete sich auf einen Punkt zwischen seinen Augenbrauen. Sein Gehirn und seine Sinne waren in die Kommunikation miteinander vertieft, während er sich in sein Inneres zurückzog. Wenn es jetzt in diesem Zimmer zu einer Explosion käme, würde er es nicht bemerken. Er würde die ganze Nacht in diesem Zustand verharren.
    Jill Franklin las die Korrektur ihres Artikels für die Samstagsausgabe, in dem der Name der Schlange, Satan, eine herausragende Rolle spielte. Von einer »Quelle« an der University of Rhode Island hatte sie erfahren, dass der Schlamm, der auf dem Boden der Säuglingsstation gefunden worden war, höchstwahrscheinlich aus dem Great Swamp stammte. Auch das war eine Information, die die anderen Zeitungen nicht hatten. Wenn sie noch mehr davon zusammenkratzen könnte, würde ihr das vielleicht den Weg zu einer Stellung beim Providence Journal eröffnen – einer richtigen Zeitung.
    Nebenan murmelte ihr sechsjähriger Sohn im Schlaf. In manchen Nächten rief Luke »Daddy!« – manchmal hilfesuchend, manchmal sehnsüchtig, was ihr jedes Mal wie ein Messer in die Eingeweide fuhr. Luke hatte seinen Daddy nie kennengelernt. Sie und Derek hatten sich zwei Monate vor seiner Geburt getrennt. »Ich will mich nicht anbinden lassen«, hatte er gesagt. Soweit sie wusste, arbeitete er immer noch als Barkeeper in Boulder. Er hatte nie Interesse daran gezeigt, seinen Sohn kennenzulernen.
    Es wurde Zeit, dachte Jill, dass Luke einen richtigen Vater bekam oder wenigstens einen freundlichen, liebevollen Stiefvater. Den ganzen Tag über hatte sie gedacht, Woody wäre der perfekte Kandidat für diese Rolle. Das Problem war nur, er konnte sie nicht ausstehen.
    Natürlich sind noch andere Leute wach: Vicki Lefebvre, Dr. Fuller, Bürgermeister Hobart, Harriets beste Freundinnen Anita Barr und Amy Calderone und ein paar hundert andere in South County (eine Bezeichnung, die Washington und einen Teil von Kent County einschließt). Der Winter rückt näher, bald haben wir Halloween. Hoch über der Stadt fliegt eine Schar Gänse lärmend in Richtung Süden; es sieht aus, als krabbelten Insekten über den Mond. Man muss bezweifeln, dass sie nach unten schauen. Was wissen sie von den Komplexitäten der menschlichen Emotionen unter ihnen, von Schuld, Ehrgeiz, Angst, Freude und nacktem Verlangen?
    Es wäre lächerlich, anzunehmen, sie könnten bemerken, dass die Eingangsnische von Crandall Investments von einem verschlissenen Schlafsack abgesehen leer ist. Aber wo ist Ronnie McBride, der hier meistens übernachtet? Anscheinend ist er verschwunden.
    Auf der Heimfahrt gab es einen

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