Das Fest der Schlangen
vergessen habe? War es vielleicht seine Schuld, dass Alice Alessio verschwunden war? Hopper hatte sie im Auge behalten sollen und war losgezogen, um sich ein Sandwich zu holen. Man nannte ihn nicht umsonst »Fresssack« Hopper.
Dann die Sache mit Oswego. Was hatte Carl Krause überhaupt mit dem Fall zu tun? Reporter, FBI , Hubschrauber – das hier war ein ruhiges Städtchen. Fred hatte nie mit einer Entführung gerechnet, und auch wenn die Skalpierung – Gott sei Dank – im Zuständigkeitsbereich von South Kingstown passiert war, hatte dieser Hartmann sich in Brewster herumgetrieben, und deshalb dachten die Leute immer nur, es wäre sein Fall. Na, jetzt hatte er zwei Mann vor Peggy Summers’ Haus aufgestellt. Da konnte sie sich nicht verdrücken. Der Fresssack war in Ordnung, solange jemand bei ihm war, der ihn vom Trog fernhielt.
Zu allem Überfluss rief ihn der kleine Krause dauernd an – auch wenn er gar nicht Krause hieß, sondern Hercel Soundso. Irgendwie war Hercel an seine private Handynummer gekommen und fragte jetzt ständig, wann er seine Schlange zurückkriegte. Woher zum Teufel sollte er das wissen? Die Schlange stand im Zentrum der Ermittlungen, ganz so wie eine Pistole in einem Mordfall. Also konnte er sie nicht einfach zurückgeben, und wenn der Junge noch so oft danach fragte. Dabei hatte der Bengel eine Stimme wie ein Roboter: »Kann-ich-bitte-meine-Schlange-wiederhaben?« Fred hätte sich am liebsten die Haare gerauft, die er schon lange nicht mehr hatte, denn jeder Patzer war ein weiterer Nagel im Sarg seiner Karriere.
Krause war auch so ein wunder Punkt. Fred hätte beinahe einen dicken, stinkenden Haufen abgelassen, als der Kerl mit der Schrotflinte auf ihn zielte. In dem Moment hatte er wirklich gedacht, er wäre tot. Er hatte ja in Oswego anrufen wollen, wie Woody es ihm gesagt hatte, aber er hatte es schlichtweg vergessen. Wie sollte er auch an irgendetwas denken, wenn lauter Hubschrauber hier herumknatterten und hundert Reporter auf ihn eindrangen und wissen wollten, ob es neue Entwicklungen gebe. Er hätte seine Lektion von Baldo lernen und sagen sollen: »Zieht mal an meinem Finger.«
Wie es aussah, konnte Fred seinen Job nur noch auf eine Weise retten: Er musste etwas Dramatisches tun, zum Beispiel ein Kind aus einem brennenden Haus retten oder sich eine Schießerei mit Gangstern liefern. Doch dazu würde es niemals kommen. Er mochte manchmal dramatisch sein, aber tapfer war er noch nie gewesen. Und alles konnte noch schlimmer werden. Am Abend hatte Woody erzählt, er sei einem Hexenzirkel auf der Spur. Fred hatte gelacht, bis er gemerkt hatte, dass Woody keinen Witz machte. Diese Hexengeschichte mochte irgendwohin führen, aber wenn etwas außer Kontrolle geriet, war das Dumme daran immer, dass am Ende jeder jeden hasste, und das macht es schwer für einen wie Fred, der nur ein Ziel im Leben kannte, nämlich gemocht zu werden.
In Brewster kam Wind auf, und der Himmel wurde klar, als die Wolken woandershin zogen. Wenn sie über das Antlitz des Halbmonds zogen, sah es aus, als wäre der Mond selbst in Eile. Gegen Mitternacht war es in der Stadt fast überall dunkel. Woody Potter saß noch auf dem Polizeirevier und brachte den Papierkram zu Ende. Dazu mussten die Formulare des Nationalen ereignisbasierten Meldesystems ausgefüllt werden, in dem alles zu Kategorien, Ziffern und Großbuchstaben zerlegt wurde, das einem aber, wie Fred Bonaldo bemerkt hatte, nicht sagte, ob eine Schlange als Waffe, als Täter oder als Opfer einzustufen war. Und »Skalpiert« konnte nur unter »Andere« eingetragen werden.
Anderswo war Schwester Rabiata, die aus Narragansett herübergekommen war, eben dabei, einem Rechtsanwalt den Hintern zu versohlen, einen Hintern, der vom Training im Fitness-Studio aussah wie zwei Bowlingkugeln. »Das schmerzt mich mehr als dich«, sagte sie. Father Bob in St. Michael’s saß vor dem Fernseher und schaute sich auf Turner Classic Movies High Noon an. Er erinnerte sich, wie Katy Jurados Dekolleté ihn vor einem halben Jahrhundert dazu gebracht hatte, zu masturbieren. Am Sonntag hatte er es Father Joseph gebeichtet, der darauf jedes Mal sagte: »Das machen alle Jungs«, bevor er ihm ein paar Ave-Maria und Vaterunser aufgab.
Ginger und Howard Phelps spielten wieder Gin Rommée, und Ginger gewann. Das war so, weil Howard dauernd an Carl Krause denken musste, der ihm an diesem Nachmittag auf dem Gehweg entgegengekommen war und geknurrt hatte. Als er Carl entlassen
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