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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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hatte er gesagt. »Sie muss sich die Hörner abstoßen. Das habe ich auch getan – und du ebenfalls. Erinnerst du dich?«
    Vicki versuchte zu sagen, das sei nicht das Gleiche. Nina sei abwechselnd hysterisch und beleidigend.
    »Vielleicht hat sie sich vögeln lassen, und es hat ihr nicht gefallen«, meinte Harold. »Du weißt doch, wie diese Mädels sich gegenseitig dazu überreden. Sie fordern einander heraus. Du solltest sie besser im Auge behalten. Ich rede mit ihr, falls ich dieses Wochenende hinaufkomme. Ich weiß es noch nicht, ich habe einen ziemlich vollen Terminkalender. Wie ist denn ihr Freund? Magst du ihn?«
    »Sie hat keinen Freund«, sagte Vicki, und nach allem, was sie wusste, stimmte das auch. Dann sagte Harold, er werde sich melden, und das war’s. Wem wollte er etwas vormachen? Harold hatte sein Leben lang keinen Kontakt gehalten. Aber dann fiel Vicki ein, dass sie mit ein paar von Ninas Freundinnen reden könnte. Viele hatte Nina nicht, doch es gab zwei oder drei, die sie schon seit zehn Jahren kannte.
    Larry Rodman war gegen neun nach Hause gekommen, früher als sonst, weil er nur einen Kunden gehabt hatte. Er schob zwei Fertigmahlzeiten in die Mikrowelle und drückte auf den Einschaltknopf. Makkaroni mit Käse war sein Lieblingsessen. Danach würde er sich ein Ahorn-Walnuss-Eis genehmigen und sich ein bisschen Hauen und Treten und Kratzen und Würgen auf dem Kampfsportkanal anschauen. Die Damenkämpfe gefielen ihm am besten, vor allen, wenn Cyborg Santos mitmischte, die am niederträchtigsten aussah. Rodman nahm die vier Steingut-Kekstöpfe vom Regal und stellte sie in einer Reihe nebeneinander. Dann wühlte er in seinen Taschen.
    Dieser Ring war aus zwölfkarätigem Gold. Er warf ihn in den Zwölf-Karat-Topf und hörte das leise Klimpern. An sich war der Ring nicht viel wert, aber es läpperte sich zusammen. Heute Abend hatte er jedoch ein besonderes Schnäppchen. Er grub einen Verlobungsring aus seiner Tasche: Achtzehn Karat Weißgold mit einem anderthalbkarätigen Diamanten, der im Licht der Deckenlampe funkelte. Den warf er in den vierten Topf. Oft wollte die Familie die Ringe zurückhaben, manchmal waren sie jedoch so aufgelöst, dass sie nicht danach fragten. Wenn sie später doch noch einmal kämen, würde er sagen, es sei zu spät. Alles sei schon passiert. Mit dem restlichen Kram gab Larry sich nicht ab – mit Uhren, Halsketten, Armbändern, Nadeln, Broschen, Manschettenknöpfen, Krawattenklammern –, von erstklassigen Stücken abgesehen. Herzschrittmacher hatte er eine ganze Tonne voll; sie warteten nur darauf, zur Müllkippe gebracht zu werden. Nein – er betrachtete sich als Spezialisten. Goldene Trauringe waren das, was ihm gefiel, und ein paar Diamantringe wegen ihres Funkelns – »um ein bisschen Licht auf dieses Thema zu werfen«, wie er gern sagte.
    Als die Glocke der Mikrowelle ertönte, holte Larry sich ein Bier und eine Gabel. Dann untersuchte er seine Finger nach grauen Flocken. Manchmal gerieten ihm welche unter die Fingernägel, die dann aussahen wie kleine graue Halbmonde. Darüber machte er gerne Witze. »Wer kommt wohl heute Abend zum Essen?«, fragte er zum Beispiel. Oder: »Wer schläft heute Nacht mit mir?«
    Larry sah ein bisschen Grau und ging zum Spülbecken. Dort schrubbte er sich die Hände mit Borax und einer Nagelbürste. Wahrscheinlich war es die alte Lady, die ihm den Ring gegeben hatte. Sie war früh am Abend aus dem Ocean Breezes gebracht worden. Er salutierte flüchtig, als das Wasser strudelnd im Abfluss verschwand. »Danke, mein Schatz.«
    Der kommissarische Polizeichef Fred Bonaldo war zu Hause in seinem Rauchzimmer und trug seine neue Uniform mit den goldenen Tressen des Chiefs. Sein Standpunkt war, dass er die Uniform ruhig jetzt tragen konnte, denn ziemlich bald würde er ja doch gefeuert werden. Ebenso war er auch der Erste, der zugab, der Situation nicht gewachsen zu sein, und das bedeutete, dass er nicht als Cop bei der Memorial-Day-Parade mitmarschieren würde, wenn er gefeuert worden war. Dann würde er wieder bei den Freimaurern hängen bleiben. Nicht, dass die nicht auch ein toller Haufen wären.
    Einzugestehen, dass er überfordert war, wäre nicht so schlimm, wenn nicht so viele Leute – sogar Frauen, zum Beispiel seine eigene Frau – ihm ebenfalls dauernd sagen würden, er sei überfordert. Er hatte Woody Potter immer gemocht, aber inzwischen war Woody gerade noch höflich zu ihm. Ob Fred etwa dies vergessen habe, ob Fred jenes

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