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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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ich mich damit für mein Leben blamierte. Ich musste sie ansprechen, unbedingt.
    Ich stand auf und nahm ihr gegenüber Platz.
    »Entschuldigung …«
    Sie blickte auf und sah mich an. Nichts deutete darauf hin, dass sie mich erkannte.
    Bestimmt würde sie mich für übergeschnappt halten. Aber ich hatte nichts mehr zu verlieren.
    »Ich möchte es rückgängig machen«, sagte ich.
    Wenn sie jetzt fragte, was ich damit meinte, was in aller Welt sollte ich dann antworten?
    Aber die Frau stellte keine Fragen. Sie sah mich nur ruhig mit ihren grünen, unergründlichen Augen an.
    Dann nickte sie.
    Sie sagte nichts.
    An der nächsten Station stand sie auf und stieg aus.
     
    Ich war klatschnass geschwitzt, als ich zu Hause ankam. Als ich meinen Mantel auszog, fiel mein Blick auf den Garderobenspiegel.
    Ich lächelte, als eine zentnerschwere Last von mir wich.
    Die Frau mir gegenüber wirkte erschöpft und fahl. Noch nie war ich beim Anblick meines Spiegelbilds so glücklich gewesen.
    Ich öffnete eine Flasche Wein, schenkte mir ein Glas ein und setzte mich an den Schreibtisch. Bernd hatte eine Mail geschickt.
    Du hast keine Blockade, Marlene, glaub mir! Schreib deine Ideen unbedingt auf!
    Die Geschichte, ach ja. Vielleicht war Bernds Vorschlag gar nicht so schlecht, das, was ich ihm erzählt hatte, zum Thema meines neuen Romans zu machen. Ich öffnete eine neue Computerdatei und fing an, mir Stichpunkte und Sätze zu notieren. Einfall fügte sich zu Einfall. Verblüfft verfolgte ich das Klicken meiner Finger auf der Tastatur. Ich schrieb wie eine Wahnsinnige – über alles, was mir in den Sinn kam.
    Als ich wieder vom Bildschirm aufsah, war es vier Uhr morgens. In meinem noch fast vollen Weinglas schwamm eine Fliege.
    Ich lehnte mich zurück, druckte alles aus und überflog das, was ich zu Papier gebracht hatte.
    Die Geschichte war im Groben skizziert. Manche Handlungsstränge waren bestimmt weiter ausbaufähig, und ich wusste auch noch nicht genau, ob der Roman ein Happy End bekommen würde. Aber wie konnte man sich so etwas je sicher sein?
    Darüber konnte ich ja mit Bernd reden.
    Spätestens nächste Woche.
     

A. Lee Martinez
                                    Noch sind wir nicht tot
     
    Man muss schon ein besonders herzloser Bastard sein, um einen Santa Claus zu töten.
    Dieser spezielle Santa Claus sah aus, als wäre er der Prototyp, nach dem alle anderen gestaltet wurden. Er besaß diesen Bart und die rosigen Wangen, die spitzen Ohren. Sein Gesicht war in einem letzten Keuchen erstarrt, aber es fiel trotzdem nicht schwer, sich die Wärme seines Lächelns vorzustellen, die Fröhlichkeit seines Lachens. Der fette Kerl lag auf seinem Wackelpuddingbauch, und ein Messer steckte in seinem Rücken. Es war das Messer, das diesen Fall von einem Nullachtfünfzehn-Tötungsdelikt unterschied. Die Klinge bestand aus einem grünen Metall, das in dieser Realität nicht existierte. Das bedeutete, jemand musste es aus einem anderen Universum mitgebracht haben. Und das machte die Sache zu meinem Job.
    Mein Name ist Jones. Mein Revier ist der Abschnitt von Universum 1156C bis 3424D. Das ist ein großes Gebiet für einen einzelnen Cop. Zum Glück habe ich eine Partnerin, auch wenn sie nur dreizehn Zentimeter groß ist. In einer anderen Zeit, an einem anderen Ort ist Brenda eine Zahnfee.
    Obwohl wir Warper uns zwischen den Realitäten bewegen können und immer ein bisschen von unserer Heimatdimension wie eine unsichtbare Aura mit uns herumtragen, sind wir nicht vollständig immun. Im Allgemeinen findet eine körperliche Veränderung statt, eine Verschiebung des persönlichen Paradigmas. Meine Haare, normalerweise kurz und borstig, waren rosa und flauschig geworden. Ich sah aus wie eine verdammte Puppe, was nicht gerade meine Laune verbesserte. Brenda hingegen glühte in diesem Universum. Und sie konnte nicht sprechen, nur pfeifen. Das tat sie auch jetzt, sanft und leise.
    »Ja«, meinte ich nachdenklich. »Das ist allerdings verdammt viel Blut.«
    Bei diesem Anblick lief mir das Wasser im Mund zusammen. Grausig nach Nicht-Blutsauger-Maßstäben, aber hey, so bin ich eben gestrickt. Ich trinke kein menschliches Blut. Zu fettig. Aber ich hatte das Frühstück ausgelassen, und das war heute offenbar ein Fehler gewesen. Ich zog einen Flachmann aus der Tasche, schraubte ihn auf und nahm einen langen Schluck kaltes Ziegenblut. Bisschen früh am Morgen dafür, aber ich dachte mir, es sei besser, als um den

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