Das Fest der Zwerge
warten, bis er sich wieder melden würde.
Endlich setzte ich mich auch wieder an den Computer und versuchte erneut, meinen nächsten Roman zu planen. Ende Januar würde ich zu meinem Verlag fahren müssen. Dann konnte ich nicht mit leeren Händen dastehen wie jetzt. Das war mir noch nie passiert.
Doch mir fiel nichts ein. In meinem Kopf herrschte Leere. Je mehr ich mich anstrengte, desto verzweifelter wurde ich. Stundenlang starrte ich auf den Bildschirm, ohne ein einziges Wort zu schreiben. Ich heulte, tobte, betrank mich. Ich gönnte mir ausgiebige Shoppingtouren und stopfte mich voll mit Süßigkeiten. Nichts half.
Aus meiner Verzweiflung wurde allmählich Panik. Was sollte ich meiner Lektorin erzählen? Wie sollte ich bis zum Sommer einen neuen Roman zustande bringen, wenn mir alle Ideen wie Sand zwischen den Fingern zerrannen? Dass sich Bernd nun überhaupt nicht mehr meldete, trug nicht gerade dazu bei, meine Stimmung zu heben. Ich hatte ihm zwischendurch zwei Mails geschickt, auf die er nicht reagiert hatte.
Schließlich brach ich alle meine Vorsätze und rief ihn an.
Nach dem zweiten Läuten sprang Bernds Anrufbeantworter an und teilte mir mit, dass Bernd bis Mitte Februar verreist sei.
Jetzt wusste ich, dass sich Bernd wirklich von mir distanziert hatte. Früher war er nie verreist, ohne sich wenigstens kurz von mir zu verabschieden. Es lag nicht nur an seinem Roman, dass er sich so zurückgezogen hatte, das war nun nicht mehr zu leugnen.
Es lag an mir.
Als ich meine Sachen für den Verlagsbesuch in Hamburg packte, hatte ich mir eine Strategie zurechtgelegt. Manche Autoren machen ein großes Geheimnis aus dem, was sie schreiben, und reden erst über einen Roman, wenn er fertiggestellt ist. Warum sollte ich diesmal nicht nach derselben Methode verfahren? Auch wenn man mich eigentlich als Autorin kannte, aus der die Ideen nur so heraussprudelten.
Doch wem würde es nützen, wenn ich mich bei meiner Lektorin ausheulte? Wenn ich ihr vorjammerte, dass es nicht mit rechten Dingen zuging, dass die Leere in meinem Kopf keine natürliche Ursache hatte, sondern dass ich vermutlich verhext war? Dass ich durch einen unbesonnenen Wunsch kurz vor Weihnachten mein Schreibtalent gegen Schönheit eingetauscht hatte, nur um einen Mann zu erobern, der inzwischen nichts mehr von mir wissen wollte? Meine Lektorin würde wahrscheinlich dafür sorgen, dass ich schnurstracks in die Psychiatrie eingewiesen werden würde, und langsam glaubte ich, dass ich dort am besten aufgehoben war …
Es tat immerhin gut, Frankfurt hinter sich zu lassen. Die Zugfahrt lenkte mich ab. Draußen vor den Fenstern lagen die Felder in Winterruhe. Rauch stieg aus den Kaminen der Häuser. Alles hatte seine Ordnung, keine Spur von Magie. Ich atmete tief durch. Vielleicht war ich nur viel zu lange mit mir allein gewesen.
In Hamburg nahm ich mir ein Taxi und fuhr damit zum Verlag. Meine Lektorin freute sich sehr, mich zu sehen. Auch der Verlagsleiter steckte den Kopf ins Zimmer und begrüßte mich begeistert. Das gemeinsame Mittagessen verlief sehr entspannt.
Danach sah ich die ersten Umschlagentwürfe für mein neues Buch. Den Autorennamen wollte man diesmal besonders hervorheben.
»Denn die Leute kaufen den Roman wegen deines Namens und nicht wegen des Inhalts«, erklärte meine Lektorin strahlend.
Sie ahnte gar nicht, wie recht mir das war. »Dann ist es ja im Prinzip ganz egal, was ich schreibe.«
Ihr Lächeln wurde unsicherer. »Nun, ganz so ist es auch wieder nicht.« Natürlich wollte sie nun wissen, worüber ich schrieb. Ich setzte ein geheimnisvolles Gesicht auf und behauptete, es würde Unglück bringen, in diesem Stadium darüber zu sprechen, da es diesmal ein ganz besonderes Buch werden würde. Aber wenn ich mit dem Roman fertig sei, sei sie die Erste, die ihn lesen dürfe.
Sie war nicht glücklich, aber sie gab sich damit zufrieden. Wir verbrachten einen schönen Nachmittag. Beim Abschied schienen sie dann doch ein paar Zweifel zu plagen, denn sie zupfte mich vertraulich am Ärmel.
»Aber es bleibt doch dabei, was wir abgesprochen haben, Marlene? Du lieferst im Sommer ab?«
»Hab ich schon je mein Wort gebrochen?«, entgegnete ich.
»Nein«, sagte sie. »Du bist schließlich Profi, und wenn man sich auf jemanden verlassen kann, dann auf dich.«
Ich lächelte schief. Das hatte ich auch immer gedacht.
Auf der Rückfahrt nach Frankfurt versank ich in tiefe Verzweiflung. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich immer mehr
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