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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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verstrickte, und wenn mir nicht bald eine Lösung einfiel, dann würde ich aus dieser Falle nicht mehr herauskommen. Ich hatte Bernd verloren, und ich würde auch meinen Ruf als Schriftstellerin verlieren. Was nutzte mir da meine neu gewonnene Schönheit? Sie kam mir jetzt wie ein Fluch vor …
    Ich musste wieder an die Magierinnen denken, die im Internet ihre Dienste anboten. Noch in derselben Nacht suchte ich mir eine Adresse in Frankfurt heraus und vereinbarte am nächsten Tag telefonisch einen Termin für die kommende Woche.
    Als ich den Arbeitsraum der Hexe betrat, war ich sicher, endgültig den Verstand verloren zu haben, dass ich mich hier hineinwagte. Es duftete nach Räucherstäbchen, an den Wänden hingen fremdartige Masken, und auf dem Tisch stand eine Kristallkugel wie in einem schlechten Film. Die Magierin war Anfang zwanzig und erinnerte mich mit ihren langen roten Haaren an Jana van Loon.
    Sie bat mich, Platz zu nehmen. Einen Moment lang zögerte ich, doch dann ließ ich mich doch in den Stuhl sinken und schilderte ihr mein Problem. Ich musste ein Foto von mir dalassen und eine Haarsträhne. Das war jetzt auch schon egal. Vorsichtshalber legte ich noch ein Exemplar meines letzten Buchs dazu.
    »Oh, das ist aber nett, den Roman wollte ich mir letzthin schon kaufen«, meinte sie erfreut.
    »Wenn Sie den nächsten ebenfalls wollen, unternehmen Sie alles, damit ich wieder schreiben kann«, entgegnete ich grimmig.
    »Das werden Sie auch, nachdem ich den Fluch von Ihnen genommen habe.« Sie lächelte und verlangte für ihren Dienst dreihundert Euro vorab.
     
    In den nächsten drei Wochen änderte sich nichts. Ich war ein paar Tage auf Lesereise und erntete viel Beifall. Aber sobald ich zu Hause den Computer anschaltete, kam ich mir vor, als hätte ich noch nie in meinem Leben einen Satz geschrieben.
    Und dann rief eines Abends Bernd an.
    »Es tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe«, beteuerte er, »aber ich war verreist.«
    »So«, sagte ich nur.
    »Ja, ich hatte einfach das Bedürfnis nach Abstand. Verstehst du das? Hab mich ziemlich spontan zu der Reise entschlossen.«
    Ich schwieg.
    »Und wie geht's dir so?«, fragte Bernd.
    »Nicht so besonders«, murmelte ich. »Ich kann nicht mehr schreiben.«
    »Was, du? Das kenne ich gar nicht von dir. Eine Schreibblockade?«
    Ich lachte gequält auf. »Wenn du es so nennen willst. Es verhält sich ein wenig anders. Ich glaube, ich bin verflucht, weil ich vor Weihnachten einen dummen Tauschhandel eingegangen bin.«
    »Einen Tauschhandel?«, fragte Bernd verwirrt.
    Ich erzählte ihm, wie ich in der S-Bahn der schwarz gekleideten Frau begegnet war, und was sich danach verändert hatte. Ich gestand ihm sogar, dass ich inzwischen die Dienste einer Hexe in Anspruch genommen hatte – allerdings ohne Erfolg. Seine Rolle in der Geschichte ließ ich aus; denn wenn er nicht auf den Kopf gefallen war, dann konnte er sich das fehlende Stück gefälligst selbst zusammenreimen.
    »Du liebe Güte, Marlene«, sagte Bernd nur, als ich geendet hatte.
    »Unglaublich, nicht wahr?« Ich lachte trocken.
    »Aber das ist doch eine prima Geschichte, ich weiß gar nicht, was du hast! Auf jeden Fall keine Blockade. Schreib die Story auf!«
    Ich stutzte. Bernd hielt meine Erzählung nur für eine Geschichte, die ich mir ausgedacht hatte?
    »Hör mal, das ist die reine …«
    Er unterbrach mich. »Übrigens, weswegen ich eigentlich anrufe … Ich bin nächste Woche in Wiesbaden, ich lese in der Buchhandlung. Wir könnten uns sehen – und ich könnte auch noch ein paar Tage dranhängen. Natürlich nur, wenn es dir passt und du Lust hast.«
    Ich musste schlucken. Wie sehr wünschte ich mir, ihn wiederzusehen. Aber gleichzeitig hatte ich tausend Fragen.
    »Ich glaube, wir müssen einiges klären«, sagte Bernd. »Du hast mir so gefehlt, Marlene.«
    »Du mir auch«, flüsterte ich.
    »Ich soll also kommen?«
    »Ja …«
     
    Am nächsten Tag hatte ich eine Lesung im Taunus. Die Veranstaltung war gut besucht, das Publikum kaufte sehr viele Bücher, die ich alle signieren musste, und so wurde es ziemlich spät, als ich zurückfuhr. In der S-Bahn saßen nur wenige Leute.
    Dann, an der Galluswache, stieg sie zu. Ich erkannte die Frau sofort wieder. Diesmal trug sie einen langen, weinroten Mantel. Sie setzte sich auf die andere Seite des Gangs.
    Mein Herz klopfte bis zum Hals. Jetzt kam es darauf an. Ich würde mir die Chance nicht entgehen lassen, sie zur Rede zu stellen, auch wenn

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