Das Fest des Ziegenbocks
Huáscar in dem Augenblick, da erneut Revolver-, Gewehr- und Maschinenpistolenschüsse krachten. Huáscar schaltete die Scheinwerfer aus und bremste jäh, weniger als zehn Meter vom Chevrolet entfernt. Pedro Livio, der gerade die Tür des Oldsmobile öffnete, wurde auf die Straße geschleudert, bevor er schießen konnte. Er fühlte, daß er sich den ganzen Körper aufschürfte und wund schlug, und konnte noch Antonio de la Maza juchzen hören -»Dieser Raubvogel frißt keine Hühnchen mehr« oder so ähnlich – und die Stimmen und Schreie des Türken, von Tony Imbert, von Amadito, auf die er blindlings zurannte, sobald er aufstehen konnte. Er machte zwei oder drei Schritte und hörte weitere Schüsse, ganz in der Nähe, und ein sengender Schmerz brachte ihn jäh zum Stehen und warf ihn zu Boden, die Hände auf den Bauch gepreßt. »Nicht schießen, verdammt, wir sind es«, schrie Huáscar Tejeda.
»Ich bin verletzt«, klagte er; und übergangslos, begierig, mit lauter Stimme: »Ist er tot, der Ziegenbock?« »Mausetot, Neger«, sagte neben ihm Huáscar Tejeda.
»Sieh ihn dir an!«
Pedro Livio spürte, daß ihn die Kräfte verließen. Er saß auf dem Asphalt, inmitten von Patronenhülsen und Glassplittern. Er hörte Huáscar Tejeda sagen, er werde Fifí Pastoriza holen gehen, und vernahm, wie der Oldsmobile anfuhr. Er nahm die Erregung und das Geschrei seiner Freunde wahr, aber er fühlte Übelkeit, war unfähig, an ihren Dialogen teilzunehmen; er verstand kaum, was sie sagten, denn seine Aufmerksamkeit war jetzt auf das Brennen seines Magens gerichtet. Auch sein Arm brannte. Hatte er zwei Schüsse abbekommen? Der Oldsmobile kehrte zurück. Er erkannte die laute Stimme Fifí Pastorizas: »Ich fass’ es nicht, verdammt, Gott ist groß, verdammt.« »Ab mit ihm in den Kofferraum«, befahl Antonio de la Maza, der mit großer Ruhe sprach. »Wir müssen die Leiche zu Pupo bringen, damit er den Plan in Gang setzt.« Er fühlte, daß seine Hände feucht waren. Diese klebrige Substanz konnte nur Blut sein. Seines oder das des Ziegenbocks? Der Asphalt war naß. Da es nicht geregnet hatte, mußte das auch Blut sein. Jemand legte ihm den Arm um die Schultern und fragte ihn, wie er sich fühle. Seine Stimme klang bekümmert. Er erkannte Salvador Estrella Sadhalá.
»Eine Kugel im Magen, glaub ich.« Statt Worte kamen gutturale Laute heraus.
Er sah die Gestalten seiner Freunde, wie sie ein unbestimmtes Etwas aufhoben und in den Kofferraum von Antonios Chevrolet warfen. Trujillo, verdammt! Sie hatten es geschafft. Er fühlte keine Freude; eher Erleichterung. »Wo ist der Chauffeur? Hat niemand Zacarías gesehen?« »Mausetot, der auch, hier, im Dunkeln«, sagte Tony Imbert. »Verlier keine Zeit damit, ihn zu suchen, Amadito. Wir müssen zurück. Jetzt kommt es darauf an, diese Leiche zu Pupo Roman zu bringen.«
»Pedro Livio ist verletzt«, rief Salvador Estrella Sadhalá. Sie hatten den Kofferraum des Chevrolet mit der Leiche darin zugeklappt. Gesichtslose Gestalten standen um ihn herum, klopften ihm auf die Schulter, fragten ihn, wie fühlst du dich, Pedro Livio. Würden sie ihm den Gnadenschuß geben? Das hatten sie einstimmig beschlossen. Sie würden einen verletzten Gefährten nicht zurücklassen, damit er den caliés in die Hände fiele und Johnny Abbes ihn foltern und demütigen konnte. Er erinnerte sich an das Gespräch, an dem auch Luis Amiama Tió teilgenommen hatte, im Garten von General Juan Tomás Díaz und seiner Frau Ghana, inmitten der Mango-, Flamboyant- und Brotfruchtbäume. Alle waren sich einig: Es kam nicht in Frage, langsam zu sterben. Wenn es schlecht ausging und jemand verletzt war, der Gnadenschuß. Würde er sterben? Würden sie ihm den Gnadenschuß geben? »Tragt ihn in den Wagen«, befahl Antonio de la Maza. »Von Juan Tomás aus rufen wir einen Arzt.« Die Schatten seiner Freunde schoben mit vereinten Kräften den Wagen des Ziegenbocks von der Fahrbahn. Er hörte sie keuchen. Fifí Pastoriza pfiff durch die Zähne: »Mann, der ist ja ein Sieb.«
Als seine Freunde ihn hochhoben, um ihn in den Chevrolet Biscayne zu setzen, war der Schmerz so heftig, daß er das Bewußtsein verlor. Aber nur wenige Sekunden lang, denn als er wieder zu sich kam, waren sie noch nicht losgefahren. Er befand sich auf dem Rücksitz, Salvador hatte ihm den Arm um die Schulter gelegt und ließ ihn an seiner Brust ruhen wie auf einem Kissen. Er erkannte, am Steuer, Tony Imbert, und, neben ihm, Antonio de la Maza. Wie
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