Das Fest des Ziegenbocks
Luis Marianito verlassen hatte. Gott wußte, daß er mit Trujillos Tod nichts gewinnen würde. Im Gegenteil; er verwaltete eines seiner Unternehmen, er war ein Privilegierter. Er hatte seine Arbeit und die Sicherheit seiner Familie aufs Spiel gesetzt, als er sich auf diese Sache einließ. Gott würde verstehen und ihm vergeben.
Er spürte eine heftige Kontraktion im Magen und schrie auf. »Ruhig, ruhig, Neger«, sagte Huáscar Tejeda bittend. Er hatte Lust, ihm zu antworten: »Negerin deine Mutter«, aber er konnte nicht. Sie holten ihn aus dem Chevrolet. Ganz nah sah er das Gesicht Bienvenidos und das von Doktor Vélez Santana: dessen Zähne schlugen noch immer aufeinander. Er erkannte Mirito, den Chauffeur des Generals, und Amadito, der hinkte. Mit großer Vorsicht setzten sie ihn in den Opel von Juan Tomás, der neben dem Chevrolet parkte. Pedro Livio sah den Mond: er leuchtete an einem jetzt wolkenlosen Himmel zwischen den Mangobäumen und den Bougainvilleen. »Wir fahren in die Internationale Klinik, Pedro Livio«, sagte Doktor Vélez Santana. »Halt durch, halt noch ein bißchen durch.«
Ihm wurde immer gleichgültiger, was mit ihm geschah. Er befand sich in dem Opel, Mirito fuhr, Bienvenido saß vorne und hinten, neben ihm, Doktor Vélez Santana. Linito ließ ihn etwas einatmen, das stark nach Äther roch. ›Der Geruch des Karnevals.‹ Der Zahnarzt und der Arzt munterten ihn auf. »Wir sind gleich da, Pedro Livio.« Ihm war auch gleichgültig, was sie sagten oder was Bienvenido und Linito so wichtig zu sein schien: »Wo steckt General Roman?« »Wenn er nicht auftaucht, geht alles zum Teufel.« Olga würde statt des Schokolade- und Vanilleeises die Nachricht erhalten, daß ihr Ehemann in der Internationalen Klinik operiert wurde, drei Straßenzüge vom Regierungspalast entfernt, nachdem er den Mörder der Mirabal-Schwestern gerichtet hatte. Es waren nur wenige Straßen von Juan Tomás bis zur Klinik. Warum brauchten sie so lange?
Schließlich bremste der Opel. Bienvenido und Doktor Vélez Santana stiegen aus. Er sah sie an die Tür klopfen, an der fluoreszierendes Licht flimmerte: »Notaufnahme«. Eine Krankenschwester mit weißer Haube erschien und dann eine Tragbahre. Als Bienvenido García und Vélez Santana ihn vom Sitz hochhoben, spürte er einen starken Schmerz: »Ihr bringt mich um, verdammt!« Er blinzelte, geblendet vom hellen Weiß eines Flures. Sie brachten ihn in einem Fahrstuhl nach oben. Jetzt befand er sich in einem sauberen Zimmer, mit einem Bildnis der Jungfrau über dem Kopfende. Bienvenido und Vélez Santana waren verschwunden; zwei Krankenschwestern entkleideten ihn, und ein junger Mann mit einem schmalen Schnurrbart kam ihm ganz nah mit seinem Gesicht:
»Ich bin Doktor José Joaquín Puello. Wie fühlen Sie sich?« »Gut, gut«, murmelte er, glücklich, daß ihm die Stimme gehorchte. »Ist es schlimm?«
»Ich werde Ihnen etwas gegen den Schmerz geben«, sagte Doktor Puello. »Zur Vorbereitung. Wir müssen diese Kugel da herausholen.«
Über der Schulter des Arztes erschien ein bekanntes Gesicht, mit breiter Stirn und großen, durchdringenden Augen: Doktor Arturo Damirón Ricart, Eigentümer und Chefchirurg der Internationalen Klinik. Aber statt heiter und freundlich wie sonst, wirkte er verstört. Hatten Bienvenido und Linito ihm alles erzählt?
»Diese Spritze bekommst du zur Vorbereitung, Pedro Livio«, informierte er ihn. »Hab keine Angst, du wirst gesund. Willst du zu Hause anrufen?« »Olga nicht, sie ist schwanger, ich will sie nicht erschrecken. Lieber meine Schwägerin Mary.« Seine Stimme wurde kräftiger. Er gab ihnen die Telefonnummer von Mary Despradel. Die Tabletten, die man ihn hatte schlucken lassen, die Injektion und das Desinfektionsmittel, das die Krankenschwestern flaschenweise auf seinen Arm und seinen Magen leerten, taten ihm gut. Er hatte nicht mehr das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Doktor Damirón Ricart gab ihm den Hörer in die Hand. »Ja, ja?«
»Hier ist Pedro Livio, Mary. Ich bin in der Internationalen Klinik. Ein Unfall. Sag Olga nichts, jag ihr keinen Schrecken ein. Sie werden mich operieren.«
»Du lieber Gott, du lieber Gott! Ich komme sofort, Pedro Livio.«
Die Ärzte untersuchten ihn, bewegten ihn, aber er spürte ihre Hände nicht. Große Gelassenheit überkam ihn. Mit aller Klarsicht sagte er sich, daß Damirón Ricart, sosehr er auch sein Freund war, nicht umhinkonnte, den SIM über das Eintreffen eines Mannes mit Schußverletzungen in
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