Das Fest des Ziegenbocks
fallenden Lichts erkannte er den Garten voller Bäume und Blumen, den Ghana so sorgfältig pflegte und wo er sich an vielen Sonntagen allein oder mit Olga zu den köstlichen Mittagessen eingefunden hatte, bei denen der General seinen Freunden einheimische Gerichte auftischte. Gleichzeitig kam es ihm vor, als sei er nicht er, sondern ein Beobachter, der außerhalb dieser Geschäftigkeit stand. Heute nachmittag, als er wußte, daß die Sache abends stattfinden würde, und sich von seiner Frau unter dem Vorwand verabschiedete, er werde in dieses Haus gehen und einen Film anschauen, hatte Olga ihm einen Auftrag mit auf den Weg gegeben und ihn gebeten, ihr Schokolade- und Vanilleeis mitzubringen. Arme Olga! Die Schwangerschaft machte ihr Gelüste. Würde sie durch den Schock das Baby verlieren? Nein, mein Gott. Es würde das kleine Mädchen sein, das Schwesterchen für Luis Mariano, seinen zweijährigen Sohn. Der Türke, Imbert und Antonio waren ausgestiegen. Er war allein, ausgestreckt auf dem Sitz des Chevrolet, im Halbdunkel. Er dachte, nichts und niemand könnte ihn vor dem Tod retten und er würde sterben, ohne zu wissen, wer die Baseball-Partie gewonnen hatte, die die Mannschaft seines Unternehmens heute abend gegen die der Dominikanischen Fluggesellschaft im Baseballstadion der Staatlichen Dominikanischen Bierfabrik spielte. Im Hof entstand heftiger Streit. Estrella Sadhalá beschimpfte Fifí, Huáscar und Amadito, die gerade in dem Oldsmobile eingetroffen waren, weil sie den Mercury des Türken an der Straße zurückgelassen hatten. »Dummköpfe, Armleuchter. Kapiert ihr nicht? Ihr habt mich verraten! Ihr müßt sofort meinen Mercury holen gehen.« Eine seltsame Situation: zu fühlen, daß er da war und nicht da war. Fifí, Huáscar und Amadito versuchten den Türken zu beruhigen: In der Eile waren sie wie benommen gewesen, und niemand hatte an den Mercury gedacht. Aber was machte das schon, General Roman würde noch heute nacht die Macht ergreifen. Sie hatten nichts zu fürchten. Das Volk würde auf die Straße strömen, um die Männer, die den Tyrannen gerichtet hatten, hochleben zu lassen.
Hatten sie ihn vergessen? Die respektgebietende Stimme Antonio de k Mazas stellte die Ordnung wieder her. Niemand würde zur Straße zurückkehren, alles wäre schon voll von caliés. Das Wichtigste war, Pupo Roman zu finden und ihm die Leiche zu zeigen, wie er gefordert hatte. Es gab ein Problem: Juan Tomás Díaz und Luis Amiama waren gerade bei ihm gewesen -Pedro Livio kannte das Haus, es befand sich an der anderen Straßenecke –, und Mireya, seine Frau, hatte ihnen gesagt, Pupo sei mit General Espaillat fortgegangen, »weil dem Chef anscheinend etwas passiert ist«. Antonio de la Maza beruhigte sie: »Keine Aufregung. Luis Amiama, Juan Tomás und Modesto Díaz sind zu Bibín gegangen, dem Bruder von Pupo. Er wird uns helfen, ihn ausfindig zu machen.«
Ja, sie hatten ihn vergessen. Er würde in diesem zerschossenen Auto sterben, neben Trujillos Leiche. Er bekam einen dieser Wutanfälle, die das Unglück seines Lebens gewesen waren, aber er beruhigte sich gleich wieder. Was zum Teufel nützt es dir, in diesem Augenblick wild zu werden, du Idiot?
Er schloß die Lider, weil ein Scheinwerfer oder eine starke Taschenlampe ihm ins Gesicht leuchtete. Er erkannte, eines über dem anderen, das Gesicht des Schwiegersohns von Juan Tomás Díaz, des Zahnarztes Bienvenido García, das Amaditos und das von… Linito? Ja, Linito, der Arzt, Doktor Marcelino Vélez Santana. Sie neigten sich über ihn, sie betasteten ihn, sie schoben ihm das Hemd hoch. Sie fragten ihn etwas, das er nicht verstand. Er wollte sagen, daß der Schmerz nachgelassen hatte, wissen, wie viele Kugeln in seinem Körper steckten, aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Er hielt die Augen weit offen, damit sie wußten, daß er lebte.
»Er muß in die Klinik«, erklärte Doktor Vélez Santana. »Er verblutet.«
Dem Doktor klapperten die Zähne, als würde er umkom
men vor Kälte. So enge Freunde waren sie nicht, daß Linito in dieser Weise um ihn zittern würde. Bestimmt zitterte er, weil er gerade erfahren hatte, daß sie den Chef getötet hatten.
»Er hat eine innere Blutung.« Auch seine Stimme zitterte. »Mindestens eine Kugel ist in die Herzgegend eingedrungen. Er muß sofort operiert werden.« Sie diskutierten. Es machte ihm nichts aus, zu sterben. Er war froh, trotz allem. Gott würde ihm sicher verzeihen. Daß er Olga mit ihrem Sechs-Monate-Bauch und
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