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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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zwei Kilometer weiter westlich Fifí Pastoriza am Steuer von Estrella Sadhalás Mercury auf ihn stürzen und ihm abermals den Weg versperren.
    »Weiß deine Frau von der Sache heute abend, Pedro Livio?« fragte Huáscar Tejeda.
    »Sie glaubt, ich bin bei Juan Tomás Díaz und sehe mir einen Film an. Sie ist schwanger und…« Er sah ein Auto mit großer Geschwindigkeit vorüberfahren, gefolgt in weniger als zehn Meter Entfernung von einem anderen, das ihm im Dunkeln wie Antonio de la Mazas Chevrolet Biscayne vorkam.
    »Sind sie das nicht, Huáscar?« Er versuchte, die Finsternis zu durchdringen.
    »Hast du gesehen, wie die Scheinwerfer aus- und angingen?« rief Tejeda Pimentel erregt. »Hast du’s gesehen?«
    »Nein, sie haben das Zeichen nicht gegeben. Aber sie sind
es.«
»Was machen wir, Neger?«
»Fahr los, fahr los!«
    Pedro Livios Herz hatte so heftig zu schlagen begonnen, daß er kaum sprechen konnte. Huáscar wendete den Oldsmobile. Die roten Lichter der beiden Wagen entfernten sich mehr und mehr, bald würden sie sie aus den Augen verlieren.
    »Sie sind es, Huáscar, sie müssen es sein. Warum verdammt,nochmal haben sie das Zeichen nicht gemacht.« Die kleinen roten Lichter waren verschwunden; vor ihnen tat sich nur der Lichtkegel der Scheinwerfer des Oldsmobile auf und tiefe Dunkelheit: die Wolken hatten gerade den Mond bedeckt. Pedro Livio, sein halbautomatisches Gewehr auf das offene Fenster gestützt, dachte an Olga, seine Frau. Wie würde sie reagieren, wenn sie erführe, daß ihr Mann einer vonTrujillos Mördern war? Olga Despradel war seine zweite Frau. Sie kamen wunderbar miteinander aus, denn im Unterschied zu seiner ersten Frau, mit der das Zusammenleben die Hölle gewesen war, reagierte Olga mit unendlicher Geduld auf seine Wutausbrüche und vermied es bei diesen Anwandlungen, ihm zu widersprechen oder mit ihm zu streiten; und sie führte das Haus mit einer Sorgfalt, die ihn glücklich machte. Sie würde aus allen Wolken fallen. Sie glaubte, er interessiere sich nicht für Politik, obwohl er in der letzten Zeit viel mit Antonio de la Maza, mit General Juan Tomás Díaz und mit dem Ingenieur Huáscar Tejeda verkehrte, welche bekannte Trujillo-Gegner waren. Bis vor wenigen Monaten hatte er jedesmal wie eine Sphinx geschwiegen, wenn seine Freunde schlecht über das Regime zu reden begannen, niemand konnte ihm eine Meinung entlocken. Er wollte seinen Posten als Verwalter der Dominikanischen Batterienfabrik, die der Familie Trujillo gehörte, nicht verlieren. Es war ihnen sehr gut gegangen, bis die Geschäfte infolge der Sanktionen einen Einbruch erlitten. Natürlich wußte Olga, daß Pedro Livio nicht gut auf die Regierung zu sprechen war, weil seine erste Frau, eine radikale Trujillo-Anhängerin und enge Freundin des Generalissimus, dem sie die Ernennung zur Gouverneurin von San Cristóbal verdankte, diesen Einfluß genutzt hatte, um ein Gerichtsurteil zu erwirken, das Pedro Livio verbot, seine Tochter Adanela zu besuchen, die seiner Ex-Frau zugesprochen worden war. Vielleicht würde Olga morgen denken, er habe sich aus Rache für diese Ungerechtigkeit auf das Komplott eingelassen. Nein, das war nicht der Grund, weshalb er hier war, mit seinem schußbereiten M1Gewehr, und Trujillo hinterherjagte. Der Grund war – Olga würde es nicht verstehen – der Mord an den MirabalSchwestern.
    »Sind das nicht Schüsse, Pedro Livio?«
»Ja, ja, Schüsse. Sie sind es, verdammt! Gib Gas,
Huáscar.«
    Seine geübten Ohren konnten die Schüsse erkennen. Was
    sie gehört hatten, was die Nacht zerrissen hatte, waren mehrere Salven gewesen – die Gewehre von Antonio und Amadito, der Revolver des Türken, womöglich der von Imbert –, die seinen Ärger infolge des Wartens endgültig in Erregung umschlagen ließen. Der Oldsmobile flog jetzt über die Fahrbahn. Pedro Livio streckte den Kopf zum Fenster heraus, aber er konnte weder den Chevrolet des Ziegenbocks noch die Verfolger sehen. Dagegen erblickte er in einer Straßenkurve den Mercury von Estrella Sadhalá und eine Sekunde lang, erhellt von den Scheinwerfern des Oldsmobile, das hagere Gesicht Fifi Pastorizas. »Auch an Fifí sind sie vorbeigerauscht«, sagte Huáscar Tejeda. »Sie haben wieder das Zeichen vergessen. Diese Armleuchter!«
    Trujillos Chevrolet erschien weniger als hundert Meter entfernt; er stand quer auf der Fahrbahn, zur rechten Straßenseite hin, mit eingeschalteten Scheinwerfern. »Da ist er!«, »Er ist es, verdammt!« schrien Pedro Livio und

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