Das Fest des Ziegenbocks
daß seine sorgfältige Argumentation nichts nützen würde, und fürchtete einen Tadel. Trujillo zügelte den Zorn, der in seinem Innern brodelte.
»Sie, Präsident Balaguer, haben das Glück, sich nur mit dem zu befassen, was das Beste an der Politik ist«, sagte er eisig. »Gesetze, Reformen, diplomatische Verhandlungen, gesellschaftliche Veränderungen. So haben Sie es einunddreißig Jahre lang getan. Sie haben den angenehmen, freundlichen Teil des Regierens abbekommen. Ich beneide Sie! Ich wäre gerne nur ein Staatsmann, ein Reformer gewesen. Aber Regieren hat eine schmutzige Seite, ohne die das, was Sie machen, unmöglich wäre. Und die Ordnung? Und die Stabilität? Und die Sicherheit? Ich habe dafür gesorgt, daß Sie sich nicht mit diesen undankbaren Dingen beschäftigen müssen. Aber erzählen Sie mir nicht, Sie wüßten nicht, wie man Frieden schafft. Mit wieviel Opfern und wieviel Blut. Seien Sie dankbar, daß ich Ihnen erlaubt habe, wegzusehen, sich dem Guten zu widmen, während wir, ich, Abbes, Leutnant Pefia Rivera und andere, das Land im Zaum hielten, damit Sie Ihre Gedichte und Ihre Reden schreiben konnten. Ich bin sicher, daß Ihr scharfer Verstand mich nur zu gut versteht.«
Joaquín Balaguer nickte. Er war blaß. »Reden wir nicht länger über undankbare Dinge«, schloß der Generalissimus. »Unterzeichnen Sie die Beförderung von Leutnant Pena Rivera. Sie soll morgen im Offiziellen Bulletin veröffentlicht werden. Und lassen Sie ihm einen eigenhändig verfaßten Glückwunsch zukommen.« »So werde ich es tun, Exzellenz.«
Trujillo hielt sich die Hand vor das Gesicht, weil er glaubte, er müsse gähnen. Falscher Alarm. Heute nacht würde er durch die offenen Fenster des Mahagonihauses den Duft der Bäume und Pflanzen einatmen, er würde Myriaden von Sternen am kohlschwarzen Himmel sehen und den Körper eines nackten, zärtlichen Mädchens liebkosen, das von der Eleganz des Schiedsrichters Petronius leicht eingeschüchtert wäre, und er würde spüren, wie die Erregung zwischen seinen Beinen erwachte, während er die lauen Säfte ihres Geschlechts kostete. Er würde eine lange, kräftige Erektion haben, wie früher. Er würde das Mädchen zum Stöhnen und zum höchsten Genuß bringen, und auch er würde zum Höhepunkt kommen und auf diese Weise die schlechte Erinnerung an dieses dumme kleine Skelett auslöschen.
»Ich habe die Liste der Häftlinge durchgesehen, die die Regierung freilassen wird«, sagte er in neutralem Ton. »Abgesehen
von diesem Lehrer aus Montecristi, Humberto Meléndez, gibt es keinen Einwand. Handeln Sie. Bestellen Sie die Familien in den Regierungspalast, am Donnerstagnachmittag. Sie werden dort mit den Freigelassenen zusammentreffen.«
»Ich werde die nötigen Schritte sofort einleiten, Exzellenz.« Der Generalissimus erhob sich und bedeutete dem Strohmann, der sich anschickte, es ihm gleichzutun, er solle sitzen bleiben. Er würde noch nicht gehen. Er wolle sich die Beine vertreten. Er machte ein paar Schritte vor dem Schreibtisch.
»Wird diese neue Freilassung von Häftlingen die Yankees beschwichtigen?« fragte er sich selbst. »Ich zweifle daran. Henry Dearborn hat es nach wie vor mit Verschwörungen. Es gibt eine neue, Abbes zufolge. Sogar Juan Tomás Díaz
steckt mit drin.«
Das Schweigen, das er in seinem Rücken hörte – es war wie eine schwere, klebrige Präsenz – , wunderte ihn. Er machte eine halbe Drehung, rasch, um den Marionettenpräsidenten anzusehen: da war er, reglos, und betrachtete ihn mit seinem beseligten Blick. Es beruhigte ihn nicht. Solche Ahnungen hatten ihn nie getrogen. Konnte es sein, daß dieser mikroskopische Mensch, dieser Pygmäe, etwas wußte?
»Haben Sie von dieser neuen Verschwörung gehört?« Er sah ihn energisch den Kopf schütteln. »Ich hätte das auf der Stelle Oberst Abbes García gemeldet, Exzellenz. Wie ich es immer getan habe, wenn mir ein subversives Gerücht zu Ohren kommt.« Er machte noch zwei oder drei Schritte vor dem Schreibtisch, ohne ein Wort zu sagen. Nein, wenn es unter allen Männern des Regimes einen gab, der unfähig war, sich in ein Komplott verwickeln zu lassen, dann war es der kluge Präsident. Er wußte, daß er ohne Trujillo nicht existieren würde, daß der Wohltäter der Saft war, der ihm Leben gab, daß er ohne ihn für immer und alle Zeiten aus der Politik verschwinden würde.
Er blieb vor einem der großen Glasfenster stehen. Schweigend betrachtete er eine Weile das Meer. Die Wolken hatten die
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