Das Fest des Ziegenbocks
Sonne bedeckt, und in der Grisaille des Himmels und der Luft
zeigten sich silbrige Schlieren; auf dem dunkelblauen Wasser waren hier und da Reflexe zu sehen. Ein kleines Schiff durchpflügte die Bucht mit Kurs auf die Mündung des Ozama-Flusses; ein Fischerboot, bestimmt kehrte es nach der Arbeit zu seinem Anlegeplatz zurück. Es hinterließ eine schaumige Kielspur, und er erahnte die flatternden, pausenlos kreischenden Möwen, die er auf diese Entfernung nicht sehen konnte. Er dachte mit Freude an den anderthalbstündigen Spaziergang, den er, nach dem kurzen Besuch bei seiner Mutter, auf der Máximo Gómez und der Avenida machen würde, die salzige Luft in der Nase, eingelullt vom Geräusch der Wellen. Nicht vergessen, dem Befehlshaber der Streitkräfte wegen des zerbrochenen Abwasserrohrs vor dem Eingang des Luftstützpunktes die Ohren langzuziehen. Pupo Roman sollte die Nase in diesen fauligen Pfuhl stecken, damit er nie wieder einen so widerwärtigen Anblick am Eingang einer Garnison ertragen müßte.
Er verließ das Büro des Präsidenten Balaguer, ohne sich zu verabschieden.
XV
»Wenn es uns beiden schon so geht, wie wird es dann erst Fifî Pastoriza gehen, so ganz allein«, sagte Huáscar Tejeda, auf das Lenkrad des schweren schwarzen, viertürigen Oldsmobile 98 gestützt, der bei Kilometer sieben der Straße nach San Cristóbal parkte. »Was zum Teufel machen wir hier«, wetterte Pedro Livio Cedeno. »Viertel vor zehn. Er kommt nicht mehr!« Er umklammerte das halbautomatische M1-Schnellfeuergewehr, das auf seinen Oberschenkeln lag, als wollte er es zermalmen. Pedro Livio neigte zu Wutanfällen; sein Jähzorn hatte ihn die militärische Laufbahn gekostet, die er im Rang eines Hauptmanns aufgeben mußte. Zu diesem Zeitpunkt war ihm schon klargeworden, daß er aufgrund der Antipathien, die sein Charakter weckte, niemals in der Rangordnung aufsteigen würde. Er verließ die Armee mit Bedauern. Die Benotungen der nordamerikanischen Militärakademie, an der er seine Ausbildung erhalten hatte, waren ausgezeichnet gewesen. Aber seine Art, wie eine Fackel in Brand zu geraten, wenn jemand »Neger« zu ihm sagte, und aus jedem Anlaß Fausthiebe auszuteilen, bremste seine Beförderungen in der Armee, trotz seiner ausgezeichneten Personalakte. Er wurde entlassen, weil er vor einem General, der ihm vorhielt, er habe als Offizier zu sehr mit der Truppe fraternisiert, die Pistole gezogen hatte. Wer ihn kannte, wie der Ingenieur Huáscar Tejeda Pimentel, mit dem er das Warten teilte, wußte, daß sich hinter dieser gewalttätigen Fassade eine Seele von Mensch verbarg, jemand, der imstande war – er hatte es erlebt – , heiße Tränen über den Mord an den MirabalSchwestern zu vergießen, die er nicht einmal kannte. »Ungeduld kann einen auch umbringen, Neger«, versuchte Huáscar Tejeda zu scherzen.
»Negerin die Hure, die dich geboren hat.«
Tejeda Pimentel wollte lachen, aber die unbeherrschte
Reaktion seines Gefährten betrübte ihn. Pedro Livio war
nicht zu helfen.
»Entschuldige«, hörte er ihn einen Moment später sagen. »Das verdammte Warten raubt mir den letzten Nerv.« »Das geht uns beiden so, Neger. Scheiße, jetzt hab ich es wieder gesagt. Wirst du meine Mutter noch mal beleidigen?«
»Dieses Mal nicht.« Pedro Livio mußte schließlich lachen. »Warum macht dich das mit dem Neger so wütend? Wir meinen das doch nett, Mensch.«
»Das weiß ich ja, Huáscar. In den Vereinigten Staaten, an der Akademie, war es nicht nett gemeint, wenn die Kadetten oder Offiziere nigger zu mir sagten, sondern rassistisch. Ich mußte mir Respekt verschaffen.« Einige Fahrzeuge fuhren auf der Straße vorbei, Richtung Westen, nach San Cristóbal, oder Osten, nach Ciudad Trujillo, aber nicht Trujillos Chevrolet Bei Air, gefolgt von Antonio de la Mazas Chevrolet Biscayne. Die Anweisungen waren einfach: Beim Näherkommen der beiden Wagen, die sie durch das Zeichen Tony Imberts – dreimaliges Aus- und Einschalten der Scheinwerfer – erkennen würden, sollten sie mit dem schweren schwarzen Oldsmobile vorpreschen und dem Ziegenbock den Weg abschneiden. Und dann würden er mit seinem halbautomatischen M1 -Gewehr, für das Antonio ihm Extra-Munition gegeben hatte, und Huáscar mit seiner neunschüssigen 39er Smith & Wesson 9mm ihn von vorne mit genausoviel Blei eindecken, wie Imbert, Amadito, Antonio und der Türke von hinten auf ihn abfeuern würden. Er konnte unmöglich durchkommen; aber wenn er durchkäme, dann würde sich
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