Das Fest des Ziegenbocks
sich so elegant kleidete und so gut aussah, daß die jungen Mädchen sich nach ihm umdrehten, zum Schatten seiner selbst geworden. Der Senator wollte seinen Augen nicht trauen. Er mußte zehn oder fünfzehn Kilo verloren haben; er war ausgezehrt, abgemagert, tiefe Augenringe lagen um seine früher stets selbstbewußten, heiteren Augen – der Blick des Genießers, das Lächeln des Siegers – , die jetzt ohne Leben waren. Er hatte von dem kleinen Tumor unter der Zunge gehört, den der Zahnarzt zufällig entdeckt hatte, als Manuel, noch Botschafter in Washington, die jährliche Zahnreinigung vornehmen ließ. Die Nachricht traf Trujillo, als hätte man den Tumor bei einem seiner Söhne entdeckt, so hieß es; er sei nicht vom Telefon gewichen, während man ihn in der Mayo-Klinik in den Vereinigten Staaten operierte.
»Ich bitte dich tausendmal um Verzeihung, daß ich dich belästige, wo du gerade erst zurückgekommen bist, Manuel.« Cabral stand auf, als er ihn in den kleinen Salon treten sah, in dem er wartete.
»Lieber Agustin, was für eine Freude.« Manuel Alfonso umarmte ihn. »Verstehst du mich? Sie mußten mir ein Stück Zunge entfernen. Aber mit ein wenig Therapie werde ich wieder normal sprechen können. Kannst du mich verstehen?«
»Vollkommen, Manuel. Ich finde nichts Seltsames an deiner Sprechweise, das versichere ich dir.« Das stimmte nicht. Der Botschafter sprach, als kaute er kleine Steinchen, als trüge er eine Beißkette oder als hätte er einen Sprachfehler. An den Verzerrungen seines Gesichts war die Anstrengung zu erkennen, die ihn jeder
Satz kostete.
»Setz dich, Agustin. Kaffee? Ein Gläschen?« »Nichts, danke. Ich werde dir nicht viel Zeit stehlen. Ich bitte dich nochmals um Entschuldigung, daß ich dich belästige, jetzt, wo du dich von einer Operation erholst. Ich bin in einer sehr schwierigen Lage, Manuel.« Er verstummte voll Scham. Manuel Alfonso legte ihm eine freundliche Hand aufs Knie.
»Das kann ich mir vorstellen, Cerebrito. Kleines Dorf, große Hölle: der Klatsch ist bis zu mir in die Vereinigten Staaten gedrungen. Daß man dich als Senatspräsidenten abgesetzt hat und deine Amtsführung im Ministerium prüft.« Die Krankheit und das Leiden hatten ihn um Jahre altern lassen, ihn, den apollinischen Dominikaner, dessen Gesicht mit den vollkommenen, schneeweißen Zähnen die Neugier des Generalissimus auf dessen erster offizieller Reise in die Vereinigten Staaten geweckt hatte, weshalb das Schicksal Manuel Alfonsos eine ähnliche Wendung erlebte, wie sie einst dem vom Zauberstab berührten Aschenbrödel widerfuhr. Aber er war noch immer ein eleganter Mann und wie der Dressman gekleidet, der er in seiner Jugend als dominikanischer Emigrant in New York gewesen war: Mokassins aus Wildleder, Hose aus cremefarbenem Tuch, italienisches Seidenhemd und
ein kokettes Tuch um den Hals. An seinem kleinen Finger glänzte ein goldener Ring. Er war sorgfältig rasiert, parfümiert und frisiert.
»Ich danke dir sehr, daß du mich empfängst, Manuel.« Agustín Cabral gewann seine Sicherheit zurück; schon immer hatte er Männer verachtet, die Mitleid mit sich selbst haben. »Du bist der einzige. Ich bin zum Aussätzigen geworden. Niemand will mich empfangen.« »Ich vergesse nie, was man für mich getan hat, Agustin. Du bist immer großzügig gewesen, hast meine sämtlichen Ernennungen im Kongreß unterstützt, mir tausenderlei Gefallen erwiesen. Ich werde tun, was ich kann. Welche Anschuldigungen bringt man gegen dich vor?« »Ich weiß es nicht, Manuel. Wenn ich es wüßte, könnte ich mich verteidigen. Bislang sagt mir niemand, welche Verfehlung ich begangen habe.«
»Ja, sehr gut, uns allen klopfte das Herz, wenn er in der Nähe war«, räumt Tante Adelina ungeduldig ein. »Aber was hat er mit dem zu tun, was du über Agustín gesagt hast.«
Urania hat eine trockene Kehle, sie trinkt ein paar Schlucke Wasser. Warum bestehst du darauf, darüber zu sprechen? Wozu?
»Weil Manuel Alfonso der einzige von all seinen Freunden war, der versuchte, Papa zu helfen. Das hast du bestimmt nicht gewußt. Und ihr auch nicht.«
Die drei schauen sie an, als hielten sie sie für leicht übergeschnappt.
»Tja, nein, das wußte ich nicht«, murmelt Tante Adelina. »Er hat versucht, ihm zu helfen, als er in Ungnade fiel? Bist du sicher?«
»So sicher wie ich weiß, daß mein Vater weder dir noch Onkel Anibal erzählt hat, was Manuel Alfonso unternommen hat, um ihm aus der Patsche zu helfen.« Sie
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