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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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könnten ihm nicht erlauben, den Satz zu beenden. »Wenn es einen gäbe, wäre es Antonio.« »Antonio wie?«
    »Antonio de la Maza«, erklärte er. »Wenn es einen gäbe, wäre er es natürlich. Aber es gibt keine Chefs.« Wieder trat eine lange Stille ein. Hatten sie ihm NatriumPentotal gegeben, war er deshalb so redselig? Aber mit Pentotal schlief man ein, und er war wach, übererregt, hatte Lust, zu erzählen, sich die Geheimnisse herauszureißen, die in seinem Innern fraßen. Er würde weiter ihre Fragen beantworten, verdammt. Es gab Gemurmel, Schritte auf den glatten Fliesen. Gingen sie? Eine Tür öffnete sich, schloß sich.
    »Wo sind Imbert und Antonio de la Maza?« Der Chef des SIM stieß einen Mundvoll Rauch aus, und Pedro Livio war, als würde er ihm durch den Hals und die Nase bis hinunter in die Eingeweide dringen.
    »Sie suchen Pupo, wo zum Teufel sollen sie sein.« Würde er die Kraft haben, den Satz zu beenden? Die Gesichter von Abbes García, General Felix Hermida und Oberst Figueroa Carrión waren so perplex, daß er eine übermenschliche Anstrengung vollbrachte, um ihnen zu erklären, was sie nicht verstanden. »Wenn er die Leiche des Ziegenbocks nicht sieht, rührt er keinen Finger.« Sie hatten die Augen weit aufgerissen und musterten ihn mißtrauisch und entsetzt.
    »Pupo Roman?« Jetzt hatte Abbes García wirklich die Fassung verloren.
    »General Roman Fernández?« echote Figueroa Carrión. »Der Kommandeur der Streitkräfte?« sagte General Felix Hermida schrill, mit verfärbtem Gesicht. Pedro Livio wunderte sich nicht, daß die Hand erneut herabfiel und ihm die Zigarette auf dem Mund ausdrückte. Ein saurer Geschmack nach Tabak und Asche auf der Zunge. Er hatte keine Kraft, dieses stinkende, brennende Etwas auszuspucken, das sein Zahnfleisch und seinen Gaumen zerschrammte.
    »Er hat das Bewußtsein verloren, Herr Oberst«, hörte er Doktor Damirón Ricart murmeln. »Wenn wir ihn nicht operieren, wird er sterben.«
    »Wer hier sterben wird, sind Sie, wenn Sie ihn nicht wieder zu sich bringen«, erwiderte Abbes García. »Machen Sie ihm eine Transfusion, egal was, aber er soll aufwachen. Dieses Subjekt muß reden. Bringen Sie ihn zu sich, oder ich verpasse Ihnen das ganze Blei, das in diesem Revolver steckt.«
    Da sie so redeten, war er nicht tot. Ob sie Pupo Roman wohl gefunden hatten? Und ihm die Leiche zeigten? Wenn die Revolution begonnen hätte, würden weder Abbes García noch Felix Hermida, noch Figueroa Carrión um sein Bett herumstehen. Sie wären verhaftet oder tot, wie die Brüder und Neffen Trujillos. Er versuchte vergeblich, sie zu bitten, sie sollten ihm erklären, warum sie nicht verhaftet oder tot waren. Sein Magen tat ihm nicht weh; seine Augenlider und sein Mund schmerzten wegen der Verbrennungen. Sie gaben ihm eine Spritze, sie ließen ihn den Geruch eines Wattebauschs einatmen, der nach Menthol roch, wie die Salem-Zigaretten. Er entdeckte eine Flasche mit Blutserum neben seinem Bett. Er hörte sie, und sie glaubten, das könne nicht sein.
    »Ob das stimmt?« Figueroa schien eher erschrocken als erstaunt zu sein. »Der Minister der Streitkräfte, in die Sache verwickelt? Unmöglich, Johnny.«
    »Erstaunlich, absurd, unerklärlich«, korrigierte ihn Abbes García. »Unmöglich nicht.«
    »Warum, wozu«, sagte General Felix Hermida in scharfem Ton. »Was kann er gewinnen. Er verdankt dem Chef alles, was er ist, alles, was er hat. Dieses Wrack läßt Namen vom Stapel, um uns zu verwirren.«
    Pedro Livio wand sich, versuchte, sich aufzurichten, damit sie sähen, daß er nicht groggy war, auch nicht tot, und daß er die Wahrheit gesagt hatte.
    »Jetzt glaubst du wohl nicht mehr, daß das eine Komödie des Chefs ist, um herauszufinden, wer loyal ist und wer nicht, Felix«, sagte Figueroa Carrión.
    »Nicht mehr«, räumte General Hermida betrübt ein. »Wenn diese Hurensöhne ihn umgebracht haben, was zum Teufel wird dann hier passieren.«
    Oberst Abbes García schlug sich an die Stirn: »Jetzt begreife ich, warum Roman mich ins Hauptquartier der Armee bestellt hat. Natürlich ist er in die Sache verwickelt! Er will Zugriff auf die Vertrauensleute des Chefs haben, um sie vor seinem Coup einzusperren. Wenn ich hingegangen wäre, war ich schon tot.« »Ich glaub’s nicht, verdammtnochmal«, wiederholte General Felix Hermida.
    »Schick Patrouillen des SIM aus, um die Radhamés-Brücke zu sperren«, befahl Abbes García. »Niemand von der Regierung, vor allem nicht die Verwandten

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