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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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philosophiert:
    »Ich weiß, wie du dich fühlst, Cerebrito, was du durchmachst. Mir ist das in den mehr als zwanzigjahren Freundschaft mit dem Chef zweimal passiert. Es war nicht so extrem wie bei dir, aber es gab eine Distanzierung von seiner Seite, eine Kälte, die ich mir nicht erklären konnte. Ich erinnere mich gut an meine Furcht, an die Einsamkeit, die ich fühlte, an das Gefühl, den Halt verloren zu haben. Aber alles klärte sich, und der Chef beehrte mich wieder mit seinem Vertrauen. Es muß eine Intrige von irgendeinem Neider sein, der dir dein Talent nicht verzeiht, Agustín. Aber du weißt ja, der Chef ist ein gerechter Mann. Ich werde heute nachmittag mit ihm reden, du hast mein Wort.«
    Cabral erhob sich bewegt. Es gab noch anständige Menschen in der Dominikanischen Republik. »Ich werde den ganzen Tag zu Hause sein, Manuel«, sagte er, während er ihm kräftig die Hand drückte. »Vergiß nicht, ihm zu sagen, daß ich zu allem bereit bin, um sein Vertrauen zurückzugewinnen.«
    »Für mich war er wie ein Hollywood-Schauspieler, wie Tyrone Power oder Errol Flynn«, sagt Urania. »Ich war ziemlich enttäuscht, als ich ihn an jenem Abend sah. Er war nicht der gleiche. Man hatte ihm den halben Hals entfernt. Erwirkte alles andere als wie ein Don Juan.« Ihre Tante Adelina, ihre Cousinen und ihre Nichte hören ihr schweigend zu, während sie untereinander Blicke tauschen. Sogar der Papagei Samson wirkt interessiert, denn seit geraumer Zeit bringt er sie nicht mehr mit seinem Geschwätz zum Verstummen.
    »Du bist Urania? Das Töchterchen von Agustín? Wie groß und hübsch du bist, Mädchen. Ich kenne dich, seit du in den Windeln lagst. Komm her, gib mir einen Kuß.« »Er kaute die Worte beim Reden, er wirkte wie ein Geisteskranker. Zu mir war er sehr liebevoll. Ich konnte nicht glauben, daß dieses menschliche Wrack Manuel Alfonso war.«
    »Ich muß mit deinem Papa sprechen«, sagte er, während er ins Haus trat. »Wie hübsch du geworden bist. Du wirst im Leben viele Herzen brechen. Ist Agustín da? Komm, ruf ihn.«
    »Er hatte mit Trujillo gesprochen und kam von der Villa Radhamés zu uns nach Hause, um von seiner Vermitdung zu berichten. Papa konnte es nicht glauben. Der einzige, der sich nicht von mir abgewandt hat, der einzige, der mir hilft, sagte er immer wieder.«
    »Hast du diese Vermittlung von Manuel Alfonso nicht geträumt?« ruft Tante Adelina verwirrt aus. »Agustín wäre hergeeilt, um sie Aníbal und mir zu erzählen.« »Laß sie weitererzählen, unterbrich sie nicht dauernd, Mami«, läßt sich Manolita vernehmen. »An jenem Abend habe ich der Jungfrau von Altagracia ein Gelübde abgelegt, wenn sie meinem Papa aus der Patsche helfen würde. Könnt ihr euch denken, was es war?« »Daß du ins Kloster gehen würdest?« sagt ihre Cousine Luanda lachend.
    »Daß ich für den Rest meines Lebens rein bleiben würde«, sagt Urania lachend.
    Ihre Cousinen und ihre Nichte lachen ebenfalls, wenn auch lusdos und betreten. Tante Adelina bleibt ernst; sie läßt kein Auge von ihr und macht keinen Hehl aus ihrer Ungeduld: was noch, Urania, was noch. »Wie groß und hübsch dieses Mädchen geworden ist«, wiederholt Manuel Alfonso, während er sich gegenüber Agustín Cabral in den Sessel fallen läßt. »Sie erinnert mich an ihre Mama. Die gleichen schmachtenden Augen, die gleiche zierliche, graziöse Figur wie bei deiner Frau, Cerebrito.«
    Dieser dankt ihm mit einem Lächeln. Er hat den Botschafter in sein Arbeitszimmer gebeten, statt ihn im Wohnzimmer zu empfangen, um zu vermeiden, daß das Mädchen und die Dienstboten sie hören. Er dankt ihm noch einmal dafür, daß er sich die Mühe gemacht hat, zu kommen, statt ihn anzurufen.
    Der Senator sprudelt die Worte hervor, bei jedem Wort geht ihm das Herz über. Hatte er mit dem Chef sprechen können?
    »Natürlich, Agustín. Ich hab es dir versprochen, und ich hab es getan. Wir haben ungefähr eine Stunde über dich gesprochen. Es wird nicht leicht sein. Aber du darfst die Hoffnung nicht aufgeben. Das ist die Hauptsache.« Er trug einen dunklen, tadellos geschnittenen Anzug, ein weißes Hemd mit gestärktem Kragen und eine blaue, weißgetupfte Krawatte, die von einer Perle gehalten wurde. Ein weißes Seidentuch zeigte seine Zacken in der oberen Tasche des Jak-ketts, und da er beim Hinsetzen die Hosenbeine hochgezogen hatte, um die Bügelfalte zu schonen, sah man seine blauen, faltenfreien Strümpfe. Seine Schuhe glänzten.
    »Er fühlt sich sehr

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